Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
Vom Netzwerk:
hat, laufen wie ferngesteuert weiter. Ein Teil davon funktioniert noch, obwohl er seit langer Zeit keinen Fuß mehr nach Taem gesetzt hat.«
    In meiner Kehle hat sich ein Klumpen gebildet, der so dick und hartnäckig ist, dass ich kaum schlucken kann. »Was sagen Sie da?«
    »Ich sage, dass Claysoot …«
    Ich glaube, ich weiß, was er meint. Aber das kann nicht wahr sein.
    »Es ist nicht das, wofür du es hältst.«
    Nein.
    »Alles, was du kennst – deine Welt, deine Leute …«
    Das kann einfach nicht wahr sein.
    »… ist Harveys Experiment. Claysoot war und ist ein Experiment.«
    Nein. Nein. »Nein.« Das letzte Mal rutscht es mir laut heraus. »Dann ist es alles … Jemand hat es so gemacht? Jemand hat die Mauer gebaut? Und uns hineingesteckt?« Meine Hände zittern.
    Frank verzieht das Gesicht und schlägt die Augen nieder. Er nimmt ein Stück Papier von seinem Schreibtisch und schreibt sechs Buchstaben darauf. LAICOS . »Claysoot ist nur ein Experiment, Gray. In den wenigen Dokumenten, die wir beschlagnahmen konnten, hat Harvey es als Laicos-Projekt bezeichnet. Viel mehr wissen wir nicht. Es tut mir so leid.«
    Ich habe die Hände so fest zu Fäusten geballt, dass meine Knöchel sich weiß abheben. »Ich bringe ihn um«, sage ich, ohne dass ich überhaupt bemerkt habe, wie sich der Gedanke in meinen Kopf geschlichen hat.
    Falls meine Reaktion Frank verblüfft, zeigt er es nicht. »Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht dasselbe tun würde, mein Sohn. Taem hat durch Harvey schon viel gelitten. Als wir versuchten, ihn zu verhaften, hat er unsere Männer getötet, statt sich ohne Gegenwehr abführen zu lassen. Nach seiner Flucht hat er seinem eigenen Volk Vorräte gestohlen und obendrein noch einigen Menschen die Kehle durchgeschnitten. Unsere Lage hier ist übel genug und alles andere als perfekt. Wir können es nicht gebrauchen, dass Harvey alles noch schlimmer macht. Vielleicht wird es dir helfen, wenn du ein wenig von unserer Geschichte hier erfährst, und über Harveys Rolle darin.«
    Er trinkt noch einen Schluck Wasser und fährt fort. »Vor den Erdbeben, den Überschwemmungen und dem Zweiten Bürgerkrieg war dieses Land groß, ausgedehnt und vereint. Jetzt sind wir geteilt und bestehen buchstäblich aus zwei Stücken: AmOst und AmWest. Hier in AmOst und besonders in Taem habe ich versucht, wieder Ordnung zu schaffen, und ich habe mich ganz anständig geschlagen. Ich habe den größten Teil meines Lebens gebraucht, um Taem auf den jetzigen Stand zu bringen. Dieses Land hat im Krieg so viele Menschen verloren, dass der kostbare Rohstoff, um den wir einst gekämpft haben – Süßwasser –, jetzt ausreichend vorhanden ist, wenn wir ihn sorgfältig rationieren. Ich gebe meinem Volk Wasser. Durch den Frankonischen Orden schenke ich ihm Sicherheit.« Er legt eine flache Hand auf das rote Dreieck an seiner Uniform.
    »Wir halten die Verräter von AmWest in Schach, Gray. Sie haben vor Jahren den Krieg vom Zaun gebrochen und uns als Erste angegriffen; und obwohl die schlimmsten Kämpfe hinter uns liegen, attackieren sie uns bis heute. Und Harvey hilft ihnen, als wäre das Unrecht, das er begangen hat, noch nicht schlimm genug. Im Austausch für ihren Schutz verkauft er ihnen Militärgeheimnisse, Waffen und Informationen. Er glaubt, wenn er mir genug Angst einjagt, sehe ich über seine Verbrechen hinweg. Er setzt Furcht als Waffe ein, aber ich werde mich ihm nicht beugen. Er wird für alles bestraft werden, was er anderen angetan hat, unserem Volk genauso wie Claysoot.«
    Frank massiert seinen Nasenrücken mit den Fingern, und mir fällt auf, dass mein Mund trocken geworden ist. Zu viel passiert zu schnell, und ich kann nicht alles aufnehmen. Ich versuche, mir das geteilte Land vorzustellen, von dem Frank gesprochen hat. Taem ist mir im Vergleich zu Claysoot groß erschienen, und der Gedanke, dass noch etwas Größeres existiert – Land, das noch unermesslich ausgedehnter ist als beide zusammen –, ist schwer vorstellbar. Auch der vernichtende Krieg, von dem er spricht, ist eine mir fremde Idee und ein Konzept, das sich vollkommen von dem sorglosen Kinderspiel unterscheidet, an das ich mich erinnere: Blaine und ich gegen Septum und Craw, wie wir einander mit eingebildeten Pfeilen beschießen, bis jemand uns schimpfend zum Aufhören auffordert. Franks Geschichte ist kein Spiel.
    Und dann Claysoot, ein Experiment. Die ersten Kinder, über die Emma und ich debattiert haben, sind nie in den Trümmern einer

Weitere Kostenlose Bücher