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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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gerettet hat? Warum hast du das getan?«
    Der ganze Zorn, den ich empfunden habe, als ich Mas Brief fand, steigt erneut wie in einer Woge in mir auf; dieser Schmerz darüber, betrogen worden zu sein.
    »Ich bin deinetwegen über die Mauer geklettert, Blaine«, fauche ich. »Ich habe es getan, weil du mich belogen und du mir die Wahrheit vorenthalten hast. Wenn ihr beide, du und Ma, mir vertraut hättet und ehrlich zu mir gewesen wäret, hätte ich mich vielleicht nicht selbst auf die Suche nach Erklärungen gemacht.«
    »Wovon redest du?«
    »Davon, dass wir Zwillinge sind, Blaine. Du und ich, wir sind exakt am selben Tag geboren.« Ich ziehe Mas Brief aus meiner Hosentasche und werfe ihn Blaine zu. »Wenn du das nächste Mal nicht willst, dass ich etwas finde, solltest du deine Beweise verbrennen.«
    Er streicht den Brief glatt und als er erkennt, was er vor sich hat, wirkt sein Blick bedrückt. Als er weiterspricht, klingt er verlegen. »Und du hast dir das zusammengereimt? Auf dieser Seite gibt sie doch überhaupt nichts zu.«
    »Nun ja, in einem hatte Ma recht – ich habe mich tatsächlich auf die Suche nach Antworten gemacht. In Carters Aufzeichnungen, ihrem privaten Tagebuch, stand eine interessante Notiz, nach der wir beide Zwillinge und am selben Tag im Jahr neunundzwanzig geboren sind.«
    »Das solltest du nie erfahren«, sagt er leise.
    »Was stand auf der zweiten Seite, Blaine?«
    »Es tut mir leid, Gray. Ich dachte nicht, dass es von Bedeutung wäre. Ma … ich dachte, sie wäre verrückt. Sie hat mir diesen Brief gegeben, und ich wollte ihr Andenken nicht beschmutzen, indem ich ihr Vertrauen verriet. Aber ich schwöre, ich war überzeugt davon, du würdest zusammen mit mir geraubt werden. Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir gemeinsam geholt würden.«
    Blitzartig steht mir wieder die Erinnerung vor Augen. Wie Blaine mir zuzwinkert und mir sagt, dass wir uns bald wiedersehen werden. Tief im Inneren brenne ich vor Zorn und fühle mich verletzt, aber ich bringe es nicht fertig, ihn anzuschreien. Stattdessen wiederhole ich langsam meine Frage. »Was stand auf der zweiten Seite, Blaine?«
    Er greift in seine Tasche und zieht ein Stück Pergament hervor. Ich nehme es ihm ab und falte es mit zitternden Händen auseinander. Ich weiß noch, wo die vorherige Seite aufgehört hat – Gray ist … –, und beginne zu lesen.
    … in Wahrheit Dein Zwillingsbruder. Der Altersunterschied zwischen Euch beträgt nicht ein Jahr, sondern ein paar Minuten. Ich wusste nicht, dass ich Zwillinge erwartete, und als Gray kurz nach Dir zur Welt kam, sah ich meine Chance, einen Versuch zu machen. Ich bat Carter, Grays Geburt geheim zu halten. Ein ganzes Jahr später, nachdem ich eine weitere Schwangerschaft vorgetäuscht hatte, kam Carter wieder zu mir, um Gray zu »entbinden«. Sie erklärte, er sei »kränklich« und untersagte jeden Besuch. Gray hat das Tageslicht erst mit zweieinhalb Jahren erblickt. Aber damals hat niemand daran gezweifelt. Ihr wart fast identisch, aber Brüder, von denen alle glaubten, Ihr wäret ein Jahr auseinander.
    Wenn der Raub einfach nur einen Teil des Lebens darstellt, ist das alles belanglos. Ich wollte es selbst erleben, um endlich die Rätsel von Claysoot für mich annehmen zu können, aber das werde ich nicht mehr, sodass alles andere jetzt auf Deinen Schultern ruht. Solltet Ihr gemeinsam verschwinden, Du und Gray, dann kannst Du an meiner Stelle akzeptieren, dass der Raub etwas Naturgegebenes ist. Aber falls hinter dem Raub mehr steckt … Genau deswegen darf Gray nichts davon erfahren. Sonst wird er Fragen stellen, und ich fürchte, wenn er das tut, wird er nicht bleiben, wo er ist. Aber wenn er verschont bleibt, muss er das. Er wird der lebende Beweis dafür sein, dass einige unserer Jungen eine Chance haben.
    Für diesen Fall haben Carter und ich einen Plan geschmiedet, aber je näher mein Tod rückt, umso wahrscheinlicher kommt es mir vor, dass der Raub einfach ein ungerechter Teil des Lebens ist, den ich nie akzeptieren konnte. Ich hoffe, Ihr hasst mich nicht, weil ich Euer Leben zu einem Experiment gemacht habe. Ich liebe Euch beide über alles. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht Euren Vater in Euch beiden sehe. Ihr seid ihm beide wie aus dem Gesicht geschnitten, aber nur Gray hat seinen Dickkopf geerbt. Also bewahre das Geheimnis, wenn es Dir auch schwerfällt, und denk daran, dass Gray Dein Bruder, Dein Zwilling ist und Dir irgendwann verzeihen wird.
    Darunter steht keine

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