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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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ich mir nicht sicher, aber das ist die einzig logische Erklärung.
    Ich gehe durch die Gänge, bis ich ein Treppenhaus erreiche. Darüber gelange ich auf die Hauptebene, zu der ich mir wieder mit dem Handgelenk Zugang verschaffe, und finde aus dem Gedächtnis den Weg zum Speisesaal. Ich hole mir Essen und treffe Emma dabei an, wie sie Haferbrei isst und an einer Tasse heißem Tee nippt. Zuerst reagiert sie auf meinen Haarschnitt, fährt mit der Hand über meinen Schädel und neckt mich gnadenlos. Doch dann berichte ich ihr. Ich erzähle von Harvey und dem Laicos-Projekt, Frank und seinen Zielen und dem eigenartigen Gespräch, das ich eben mitgehört habe. Als ich ihr von Harveys Experiment erzähle, ballt sie die Fäuste, genau wie ich.
    »Ich leide unter Verfolgungswahn, oder?«, frage ich, nachdem ich ihr geschildert habe, wie Frank vor meinem Zimmer geklungen hat und dass er bestürzt darüber wirkte, dass der Raub mich nicht an meinem achtzehnten Geburtstag geholt hat.
    »Ich weiß nicht«, meint Emma. »Wenn er versucht, das Rätsel um den Raub zu lösen und Claysoot zu befreien, sollte er doch froh darüber sein, dass du nicht geraubt worden bist, und nicht besorgt.«
    »Genau das dachte ich auch.« Ich berühre Mas Brief, der in meiner Tasche steckt. Die Erklärung, die Frank sucht, steht in diesem Pergament, aber plötzlich habe ich das Gefühl, dass es eine sehr schlechte Idee wäre, ihm den Brief zu zeigen.
    Emma sieht auf ihr Tablett hinunter. »Sie halten uns für tot, stimmt’s?« Ihre Stimme klingt stumpf und ausdruckslos.
    »Wer?«
    »Meine Mutter. Maude. Alle. Blaine hat dir erklärt, dass sie Gefangene als Ersatz nehmen. Wenn er recht hat, sind dort Leichen wieder aufgetaucht, so wie immer, und sie glauben, dass wir tot sind.«
    Ich sehe Carter vor mir, wie sie im Krankenhaus schluchzend auf einem Bett zusammenbricht. Sie hatte eine Tochter. Es war nicht vorgesehen, dass sie ihr Kind verliert. Ich sage nichts auf Emmas Frage, aber wir wissen beide, dass die Antwort »ja« lautet.
    »Lass uns spazieren gehen«, sage ich. »Wir können frische Luft gebrauchen. Und vielleicht erfahren wir dabei noch mehr über diesen Ort.«
    »Wonach genau suchst du?«
    »Ich will wissen, warum Harvey das Laicos-Projekt überhaupt begonnen hat. Was im Äußeren Ring die Mauerkletterer tötet. Warum die geraubten Jungen hier in Union Central auftauchen.»
    Sie wirft mir ein süffisantes Grinsen zu. »Und du glaubst, dass du diese Erklärungen bei einem Spaziergang findest?«
    »Wer weiß? Manchmal reden Wände. Denk doch daran, wie viel wir an dem Tag, an dem wir nach Taem gekommen sind, aus Harveys Fahndungsplakat gelernt haben.«
    Der Speisesaal beginnt sich zu leeren, und die Ordensmitglieder kehren zu ihren Pflichten zurück.
    »Wird sich nie etwas daran ändern, dass du so besessen von der Wahrheit bist?« Emma sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    Ich zucke mit den Achseln. »Wahrscheinlich nicht, bis ich sie mit eigenen Augen sehe. Und als du mir über die Mauer gefolgt bist, hast du gesagt, dass du dich genauso sehr nach Antworten sehnst.«
    »Das stimmt. Aber jetzt sieh dir an, wohin wir dadurch geraten sind. Ich möchte, dass es wieder so wird wie vor unserem Weggang. Wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich die Suche aufgeben und einfach mit dir zusammen sein, Gray. Du bist nicht geraubt worden, also hätten wir vielleicht in Claysoot zusammen sein können. Für immer, wie die Vögel.«
    »Dann wäre ich eben mit neunzehn geraubt worden«, wende ich ein. »Und wir sind keine Vögel.«
    »Ich weiß. Aber ich wünschte, wir wären es. Dann könnten wir davonfliegen, jetzt gleich.«
    Wieder starrt sie auf ihr Tablett, und eine Sekunde lang fürchte ich, sie könnte in Tränen ausbrechen. Ich strecke den Arm aus und nehme ihre Hand. »Das können wir nicht. Noch nicht. Aber wenn wir noch ein paar Erklärungen finden, die Wahrheit, dann verspreche ich dir, dass wir überall hinfliegen können, wohin du willst.«
    Zuerst setzt sie ihr übliches verhaltenes Lächeln auf, das ich nie vollständig deuten kann. Und dann beugt sie sich über den Tisch und küsst mich, eine kurze, verlockende Berührung, die mich gierig auf mehr macht. Als wir den Speisesaal verlassen, rast mein Herz, aber nicht wegen der Erklärungen, die darauf warten, entdeckt zu werden.
    Emma. Es war schon immer Emma.

16. Kapitel
    Wir brauchen viel länger als gedacht, um Union Central zu verlassen und durch die mit Harveys

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