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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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Einstweilen bin ich in Sicherheit.
    Während wir über den unebenen Boden holpern, denke ich an Emma, die allein in einer Gefängniszelle sitzt. Und ich laufe vor ihr davon. Ich sage mir, dass ich ihr nicht helfen kann, wenn ich tot bin, und dass sie verstehen wird, warum ich fliehen musste. Das ist die einzige Möglichkeit. Mich in Sicherheit bringen, einen Plan schmieden und dann zurückkehren, um sie zu holen. AmWests Angriff ist vielleicht zur rechten Zeit gekommen, um mir die Flucht zu ermöglichen, aber wenn Taem in Gefahr ist, dann ist Emma es ebenfalls. Um ihretwillen muss Taems Kuppel halten. Ich will, dass der Orden seinen Feind zurückschlägt.
    Um mich abzulenken, nehme ich eine der grünen Taschen und durchwühle sie. Ich finde eine ganze Reihe von Gegenständen vor, die mir neu sind. Eine merkwürdige stabförmige Apparatur, die an einem Ende leuchtet, wenn man sie dreht, Karten, eine Schachtel mit der Aufschrift »Streichhölzer«, ein schweres Jagdmesser, eine Erste-Hilfe-Ausrüstung und ein Paar wuchtige Augengläser, durch die ich, wenn ich sie vors Gesicht halte, alles viel größer sehe, als es eigentlich ist. Auch eine Feldflasche mit Wasser ist dabei und ein paar Trockenfrüchte. Ich trinke einen Schluck Wasser und warte.
    Mehrere Stunden später verlangsamt der Wagen die Geschwindigkeit und fährt schließlich im Schritttempo. Ich betrachte die Gewehre an der Wand, dann ziehe ich stattdessen das Futteral mit dem Messer aus der Tasche und stecke es in meinen Hosenbund. Wenig später werfe ich mir das Bündel auf den Rücken und warte darauf, dass die Hintertüren geöffnet werden.
    Zuerst höre ich Stimmen.
    »Hier schlagen wir ein Nachtlager auf.«
    »Aber der Nachschub für das Feld ist nie über Nacht unterwegs.«
    »Wir sind nur wegen des Angriffs früher aufgebrochen. Konnten doch nicht riskieren, in Taem festzusitzen, wenn Evan morgen mit dem Nachschub rechnet.«
    Evan. Der Name kommt mir bekannt vor, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, wo ich ihn gehört habe.
    Die Türen des Fahrzeugs werden aufgerissen, und mein Stiefel trifft einen verdutzten Ordensmann am Kopf. Er stürzt zu Boden, und ich renne los. Hinter mir erklingt Geschrei, erneut fliegen Kugeln, aber ich kann unversehrt in den Wald entkommen. Ich bin wieder unter Bäumen, grünen Bäumen, an der frischen Luft und im Wald, wo ich mich zu Hause fühle.
    Inzwischen hat man mir eine Menge Bezeichnungen aufgedrückt: Verräter, Rebell, Zielperson. Mir droht die Hinrichtung, und meine einzige Hoffnung liegt tief in den Wäldern. Meine Arme schwingen rhythmisch vor und zurück, meine Füße fliehen nordwärts.
    In eine unsichere Zukunft. Zum Mount Martyr. Zu den Rebellen.

DRITTER TEIL
Die Rebellen

19. Kapitel
    Bis zum Einbruch der Dunkelheit will ich mich so weit wie möglich vom Orden entfernt haben. Damit bleiben mir nur wenige, kostbare Stunden Zeit. Ich renne, bis meine Lungen brennen, und verfalle dann in ein schnelles Schritttempo. Die Landschaft ist jetzt zerklüftet und vielfältig. Die Bäume wirken ungewöhnlich hoch, und sie wachsen so eng beieinander, dass ich mich zwischen ihnen durchschlängeln muss. Schwer vorstellbar, dass ich mich noch heute Morgen von einem Aufenthalt auf der Krankenstation erholt habe.
    Ein kräftiger Windstoß trifft mich von hinten. Durch das dichte Laubwerk ist der Himmel über mir kaum zu erkennen. Er zeigt ein ruhiges Blassblau, aber die Luft riecht nach Regen. Ein Unwetter zieht heran. Es ist schön, das alles wieder zu spüren und die Welt um mich herum zu erkennen und zu verstehen. Beinahe habe ich das Gefühl, zurück in Claysoot zu sein und in den Wäldern zu jagen. Beinahe.
    Ich sehe in meine Karte. Vor mir liegen ein Felsvorsprung und eine Formation, die als »Haarnadel« bezeichnet wird, aber es ist besser, jetzt mein Lager aufzuschlagen. Die Sonne geht bereits unter, und ich möchte nicht bei schlechtem Wetter auf einem offenen Felsvorsprung festsitzen.
    Ganz unten in meinem Bündel stecken eine Hängematte, die ich zwischen zwei Bäumen festmache, und eine Plane, die ich darüber aufspanne. Da ich Angst habe, entdeckt zu werden, verzichte ich darauf, ein Feuer anzuzünden, und schlage stattdessen den Kragen meiner Uniform hoch. Zuerst beginnt der Regen sanft. Die Tropfen fallen leise und landen in einem ungleichmäßigen Takt, als werde der Sturm vorbeiziehen. Doch dann entledigt der Himmel sich seiner Last in einem einzigen Ruck. Blitzschnell schlüpfe ich unter die Plane.

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