Taken
Wasser finden. Frank sagte, es sei knapp, ein seltener und begehrter Rohstoff. Was, wenn dieser Wald schon völlig ausgebeutet ist? Wenn seine Flüsse aufgestaut und seine Seen leergepumpt sind, sodass ich nur leere Stauseen finden werde?
Am dritten Tag ohne Wasser stoße ich auf einen Teich mit stehendem Wasser, schmutzigem grünem Schleim. Ich sinke auf die Knie. Ist das alles? Nachdem ich so lange gesucht habe? Das Nass ist zu still und vollständig untrinkbar. Ich ziehe Blaine auf mich zu und lege seinen Kopf in meinen Schoß. Seine Lippen sind aufgesprungen und trocken, und er kämpft darum, die Augen offen zu halten. Ich sehe zu, wie seine Brust sich hebt und senkt, sein Atem geht ungleichmäßig. Ich habe die Menschen, die ich liebe, im Stich gelassen. Zuerst Emma und jetzt Blaine.
Und dann höre ich etwas, ein leises, zartes Geräusch. Mein Herz tut einen Satz, und ich spitze die Ohren. Es klingt wie das Plätschern eines Bachs.
Ich folge dem Klang und stelle fest, dass der grüne Tümpel von winzigen Wassertropfen gespeist wird, die über eine Felswand auf der gegenüberliegenden Seite herabrinnen. Der Stein hat eine ganz schmale Öffnung, aber ich sehe Licht auf der anderen Seite. Auch das leise Plätschern kommt von dort.
»Blaine«, sage ich. »Steh auf. Du musst laufen.«
Er murmelt etwas Unzusammenhängendes.
»Da ist Wasser«, erkläre ich. Ich möchte ihm sagen, dass er nur dieses eine für mich tun muss und dass ich ihn nachher wieder tragen kann, aber es ist viel zu anstrengend, die Worte zu bilden.
Als ich Blaine auf die Füße zerre, stöhnt er. Seine Stirn ist mit Dreck und Schweiß bedeckt.
»Hier durch«, sage ich und zeige auf den Felsspalt. Als wir uns vorwärtsschleppen, zieht er eine Grimasse und humpelt, um sein verletztes Bein zu entlasten. »Schaffst du das?«
Er hustet, nickt aber. Ich lasse ihn los. Er kneift die Augen zu, blinzelt mehrmals und nickt wieder. Sobald ich ihm den Rücken zukehre, fällt Blaine um. Mit einem kräftigen, dumpfen Knall, bei dem mir übel wird, schlägt er auf den Boden auf.
Er ist ohnmächtig geworden und hat sich dabei den Kopf an einem Stein angeschlagen. Ich hocke mich neben ihn. »Blaine?« Er gibt keine Antwort. Als ich seinen Kopf hebe, greifen meine Finger in klebriges Blut. »Blaine!«
Nichts.
»Das kannst du nicht machen! Nicht ausgerechnet jetzt. Nicht, wenn wir endlich Wasser gefunden haben.« Ich schüttle und verfluche ihn, ich rufe seinen Namen, doch er reagiert nicht. Als ich das Ohr an seine Brust lege und seinen Herzschlag höre, stoße ich die Luft aus. Mir ist gar nicht klar gewesen, dass ich den Atem angehalten hatte. Dann fische ich eine Bandage aus meinem Bündel und verbinde seine Wunde. Die ganze Zeit über zittern meine Hände.
Erneut betrachte ich die Felswand. Wir brauchen trotzdem Wasser. Ich muss allein hindurchgehen und so viel wie möglich holen. Nach einem letzten Blick auf Blaine quetsche ich mich durch den Spalt. Er ist eng und in meinem übermüdeten Zustand komme ich nur äußerst langsam voran. Doch als ich mich endlich durch die Lücke geschoben habe, stoße ich einen Freudenschrei aus.
Ich bin auf allen Seiten von steilen Steinwänden umgeben. Von einem der höchsten Felsen stürzt Wasser in einem majestätischen Strahl herab und ergießt sich in einen Teich zu meinen Füßen. Das Wasser aus diesem See sickert tropfenweise über den Weg, den ich gerade gekommen bin, aber auf der anderen Seite des von Felswänden umschlossenen Sees muss es als beeindruckender Fluss hinausrauschen.
Doch ich halte mich nicht damit auf, den natürlichen Lauf des Wassers zu erforschen. Stattdessen flüstere ich ein Dankgebet dafür, dass der Orden diesen natürlichen Wasserspeicher nicht entdeckt hat, und renne in den flachen Teich. Ich spritze mir Wasser ins Gesicht und trinke gierig. Meine Arme fühlen sich so schwer an, dass es mir enorme Kräfte abverlangt, es zum Mund zu führen, aber das Wasser schmeckt so gut. Das Rauschen des Wasserfalls klingt himmlisch, und das Gefühl, mit dem das kühle Nass in meinen Magen strömt, ist unglaublich. Zum ersten Mal seit Tagen schöpfe ich Hoffnung.
Ich trinke, bis ich nichts mehr herunterbringe, und ziehe dann die Feldflasche aus meinem Bündel, um sie für Blaine zu füllen.
»Keine Bewegung«, befiehlt eine Stimme.
Ich erstarre und hebe die Hände über den Kopf.
Vermutlich ist das jetzt mein letzter Atemzug. Aber der Schuss lässt auf sich warten. Mit immer noch zum Zeichen
Weitere Kostenlose Bücher