Taken
und hat mich in ihr Hauptquartier gebracht. »Wo ist mein Bruder? Ich will ihn sehen.«
Sie setzt sich auf die Bettkante. »Wie heißt du?«, fragt sie und sieht mir so fest in die Augen, als könne sie mir damit die Antwort entreißen.
»Und du?«
»Bree.«
»Freut mich, dich kennenzulernen.«
Sie runzelt die Stirn. »Ich würde ja das Gleiche sagen, aber du hast mir immer noch nicht verraten, wer du bist.«
»Ich weiß. Und das habe ich auch nicht vor.« Ich traue ihr nicht. Sie hat überlegt, mich zu erschießen, und auch Blaine, der bewusstlos und so harmlos wie ein gefällter Baum war.
»Irgendwann wirst du es uns schon sagen«, meint sie. »Wir haben Methoden, um Leute zum Reden zu bringen.«
Es klopft an der Tür, und ein Junge kommt herein. Er ist ein schmächtiges Bürschchen mit zusammengekniffenen Augen und großen Händen und kann nicht älter als zwölf oder dreizehn sein.
»Das ist Clipper«, sagt Bree. »Er wird jetzt deinen Peilsender zerstören.« Der Kleine lächelt stolz.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Natürlich nicht«, gibt Bree spöttisch zurück. »Wahrscheinlich haben sie dir erklärt, du bräuchtest ein paar Spritzen und Tabletten und einen Haarschnitt, und das Ganze Säuberung genannt. Und dann bist du am nächsten Tag aufgewacht und hattest merkwürdige Schmerzen im Nacken. Sie haben dir einen Peilsender eingepflanzt.«
Ich sehe sie verständnislos an.
»Solange du atmest und der Peilsender unter deiner Haut sitzt, können sie exakt ablesen, wo in Taem du dich befindest«, fährt sie fort. »Clipper entfernt den Sender. Sobald er ihn aus dir herausgeholt hat, wird er nicht mehr funktionieren, und der Frankonische Orden verliert seine kostbare Ortung. In ihren Augen bist du damit so gut wie tot. Das habe ich doch richtig erklärt, oder, Clipper?«
»Klar doch«, verkündet er.
Das ist bestimmt das Beste. Wenn Frank mich für tot hält, kann ich ein neues Leben anfangen. Ich kann Harvey suchen und mir überlegen, wie Claysoot befreit werden kann. Und dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist und Frank mich vergessen hat, kann ich nach Taem zurückkehren und Emma holen.
»Hier«, sagt Bree und reicht mir einen aus Holz geschnitzten Löffel. »Beiß darauf. Das wird jetzt höllisch wehtun.« Sie dreht mir die Seite zu, sodass ich eine wulstige Narbe erkennen kann, die unter ihrem rechten Ohr beginnt und bis zu ihrem Schlüsselbein verläuft. Sie muss früher im Orden gedient haben.
Clipper säubert einen Teil meines Halses und zieht eine eigenartige Vorrichtung aus seinem Bündel. Er verbindet ein paar Drähte miteinander und legt einige bedrohlich aussehende Instrumente neben mich.
»Bree? Bist du dir sicher, dass Clipper dazu qualifiziert ist?«
Sie runzelt die Stirn. »Clayton macht das seit Jahren, so ist er auch zu dem Spitznamen Clipper gekommen.« Sie lächelt boshaft. »Gut möglich, dass deine Narbe gar nicht so übel wird«, setzt sie hinzu.
»Fertig?«, fragt der Junge.
»Zähl bis drei«, gebe ich zurück. »Damit ich weiß, wann es so weit ist.«
Clipper hält etwas, das ich nicht sehen kann, an meinen Hals. »Okay«, meint er zustimmend. »Auf geht’s. Eins … zwei …«
Ohne Vorwarnung rast Schmerz durch meinen Hals. Alles brennt. Ich spüre einen Stich wie von einem heißen Eisen, das sich in meine Halsmuskeln bohrt, ein Reißen und Zerren, und dann wird etwas aus meinem Körper gezogen. Ich schreie so laut, dass es in meinen eigenen Ohren schmerzt. Bestimmt habe ich den Löffel entzweigebissen.
Clipper presst etwas Warmes auf meinen Hals, aber es lindert meinen Schmerz nicht. Stattdessen habe ich das Gefühl, meine Haut würde schmelzen, brennen und Blasen werfen. Kurz darauf zieht er das Instrument weg, und der Schmerz beginnt nachzulassen.
»Du hast gesagt, du würdest bis drei zählen!«, brülle ich ihn an.
»Tut mir leid.« Er klingt tatsächlich aufrichtig. »Es funktioniert nur, wenn derjenige entspannt ist. Wenn ich bis drei weitergezählt hätte, hättest du dich dagegen angestemmt, und es hätte nicht funktioniert.«
»Stimmt«, meint Bree. Sie lächelt, als freue sie sich darüber, dass ich gelitten habe.
»Schau her«, sagt Clipper und hält mir einen Spiegel hin. »Deine Narbe ist kaum zu sehen.«
An der Seite meines Halses verläuft jetzt eine blassrote Linie. Er hat recht. Sie sieht nicht annähernd so schlimm aus wie bei Bree. Ihre Narbe wirkt, als wäre Clipper mit einem Fleischermesser auf ihren Hals
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