Taken
Brühe auf dem Boden ihrer Tasse auf.
»Allerdings«, pflichtet Bree ihr bei, »aber wenigstens haben wir jetzt Gray. Vielleicht kann er uns ja etwas über die Mission erzählen.«
»Du warst beim Orden?« Polly kreischt beinahe und nimmt zum ersten Mal Notiz von mir.
»Nein … nicht wirklich«, stottere ich. »Ich sollte hingerichtet werden, daher wollte ich hierher. Aber dann bin ich auf das Lager des Ordens gestoßen, und mein Bruder war da, und ich habe versucht …«
»Dann gehört dein Bruder dem Orden an«, unterbricht mich Hal. »Abschaum. Ich weiß wirklich nicht, warum wir euch Gnade erweisen. Ich finde, wir sollten nur die aufnehmen, die mit erhobenen Händen am Felsspalt auftauchen, hereinkommen und darum flehen, uns beitreten zu dürfen. Vertrauenswürdig sind nur die, die bei dem Versuch, hierherzukommen, ihr Leben riskieren.«
»Genau das habe ich doch getan«, wende ich ein.
Hal schnaubt verächtlich. »Klar. Oder das ist nur deine Geschichte. Außerdem, dass du zu uns geflüchtet bist, weil man dich hinrichten wollte, beweist doch nur, dass du deine Haut retten wolltest.«
»Er ist Owens Sohn«, erklärt Bree. »Wenn er seinem Vater auch nur ein wenig ähnelt, werden wir vielleicht noch froh sein, ihn zu haben. Und seinen Bruder auch, falls er jemals wieder aufwacht.«
»Kann schon sein«, sagt Hal. »Oder er ist ein Duplikat. Es ist immer ein Glücksspiel mit diesen unzuverlässigen Neuen.«
»Entschuldigt, Leute, aber ich glaube, ich werde feststellen, ob er ein Duplikat ist.« Hinter Hal und Polly steht ein Mann mittleren Alters und sieht mich eindringlich an. Er trägt einen merkwürdigen Pullover ohne Ärmel, der ein einfaches Hemd in Zaum hält. Ich weiß, wer er ist. Diese Augen; diese dunklen, dunklen Augen.
»Bedaure, euch beim Essen zu unterbrechen«, fährt er fort, »aber ich muss Gray kurz entführen. Fallyn hat Ryder davon überzeugt, dass es gut wäre, ein paar Tests durchzuführen, um ganz sicherzugehen.«
»Weswegen sichergehen?«, frage ich.
»Dass du der bist, der du zu sein behauptest. Dass du kein Duplikat bist.« Er lächelt, und seine sonst ausgehöhlten Wangen wirken plötzlich voller. Sogar seine Augen leuchten ein wenig auf. Wenn man ihm persönlich gegenübersteht, wirkt er so einfach, so schwächlich. Ich frage mich, warum Frank ihn unbedingt zurückhaben will – und zwar lebendig –, wenn er in Wahrheit gar nicht für das Laicos-Projekt verantwortlich ist.
»Ach, geh ruhig«, brummelt Bree und stößt mir einen Ellbogen in die Rippen. »Harvey könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.«
Harvey lacht leise und nimmt eine Hand aus der Tasche. »Wie dumm von mir, mich nicht vorzustellen. Ich heiße Harvey Maldoon und bin hier in Crevice Valley der technische Leiter.«
»Gray Weathersby«, sage ich und schüttle ihm die Hand. Sein Griff ist schwach, und seine Finger sind sehr weich.
»Genau das wollen wir gleich feststellen. Ob du wirklich Gray Weathersby bist.« Wieder lächelt er und vollführt eine weit ausholende Handbewegung »Sollen wir?«
Bree und ihre Freunde sehen interessiert zu, wie er mich vom Tisch weg und in einen anderen dunklen Tunnel führt.
25. Kapitel
In einem fensterlosen Raum, der in einer der unzähligen Felsverwerfungen von Crevice Valley liegt, schließt Harvey mich an eine merkwürdig aussehende Maschine an. Er sagt mir, ich solle mir keine Sorgen machen, und es werde nicht wehtun, aber es fällt mir schwer, ihm zu glauben. Die Maschine besitzt Nadeln und Hebel und Knöpfe, die er nach seinen Vorstellungen einstellt, nachdem er diverse Schnüre an meinen Armen und Schläfen befestigt hat. Ich bin mir sicher, dass jeden Moment Qualen durch meinen Körper zucken werden, doch als Harvey mir erklärt, wir würden jetzt beginnen, bleibt der Schmerz aus.
»Sag deinen Namen«, fordert er mich auf.
»Gray Weathersby.«
Harvey bringt eine Markierung auf einem Papierstreifen an, der durch die Maschine läuft.
»Dein Alter.«
»Achtzehn. Allerdings … dachte ich vor ein paar Wochen noch, ich wäre siebzehn.«
Harvey setzt noch ein Zeichen auf das Papier und sieht mich über seine Brillengläser hinweg an.
»Und wie kam das?«
»Meine Familie hat mich angelogen, hat mir gesagt, ich sei ein Jahr jünger – also, eigentlich haben sie das allen erzählt –, um festzustellen, ob ich zusammen mit Blaine geraubt werden würde.«
»Verstehe.« Noch ein Zeichen. »Und wer ist Blaine?«
»Mein Bruder.«
»Wo befindet er sich
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