Taken
sind.
Meine Ankunft in Crevice Valley hat es Frank schwer gemacht. Bisher waren die Duplikate sein Weg nach drinnen, und diese Waffe ist inzwischen praktisch wirkungslos. Ich weiß, im Vergleich zu allem, was ich in Franks Laboratorien angerichtet habe, ist das beinahe bedeutungslos. Aber ich hoffe, dass meine Arbeit hier ein Schritt in die richtige Richtung ist. Und ich hoffe, dass eines Tages jemand wie du, ein Opfer des Laicos-Projekts, wenigstens für einen Teil meiner Arbeit dankbar sein wird.«
Damit ist Harveys Geschichte zu Ende. Er lächelt mir zu, aber mir dreht sich dermaßen der Magen um, dass ich nicht antworten kann.
Zuerst hasse ich ihn. Wie konnte er jemals glauben, dass seine Arbeit für Frank gerechtfertigt war? Aber wenn ich nicht in der Lage bin, seinen Sinneswandel zu akzeptieren, bin ich nicht besser als Hal oder Polly, die mich von oben herab angesehen haben, weil ich mit Gewalt nach Crevice Valley gebracht worden bin. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, die manchmal dunkel oder trostlos ist, aber vielleicht wiegen die Taten, die er in der Gegenwart bewusst vollbringt, ja viel mehr. Und Harvey ist hier, bewirkt Veränderungen und bemüht sich, den Schaden, den er angerichtet hat, zu beheben. Vielleicht ist Harvey ja doch okay.
»Und was jetzt?«, fragt mein Vater an niemand Speziellen gerichtet.
»Evans Gruppe hat sich nach Taem zurückgezogen«, erklärt Ryder. »Und unsere Kundschafter berichten, dass sich die Stadt fast vollständig von dem jüngsten Angriff durch AmWest erholt hat. Aber wenn Frank Harvey will, wird er trotzdem keine Ruhe geben, bis er ihn hat.«
»Schön, aber was jetzt?«, hakt mein Vater noch einmal nach.
»Unser Tal ist gut befestigt. Wir warten, bis sie wiederkommen, und dann nehmen wir die ganze Einheit gefangen. Wenn sie es noch einmal versuchen, wiederholen wir das. Harvey, ich fürchte, dass Sie sich einstweilen auf Crevice Valley beschränken müssen. Viel zu gefährlich für Sie, einen Fuß nach draußen zu setzen.«
»Nun gut.« Harvey nickt.
»Das war es?«, frage ich. »Wir sitzen einfach da und warten? Ich dachte, Sie wären fürs Kämpfen?«
»Das sind wir auch, Gray«, sagt Ryder, »aber so etwas dauert seine Zeit. Wenn wir bereit für diesen Schlag sind, werden wir ihn gut planen und minutiös ausführen. Aber im Moment warten wir ab und kontern jedes Vorrücken nach Bedarf.«
»Ich kann nicht gut warten«, gestehe ich.
»Das passt ausgezeichnet«, schaltet sich mein Vater ein. »Du beginnst morgen mit dem Training, und die Ausbildung in Crevice Valley ist kein Spaziergang.«
»Inwiefern?«
»Sie ist brutal und intensiv«, meint Fallyn mit einem boshaften Lächeln.
Ich glaube ihr sofort. Als ich aus dem Raum entlassen werde, gehe ich mit langsamen, bedächtigen Schritten zurück zu meinem Quartier und fürchte mich schon vor dem Training, das auf mich wartet, und dem Muskelkater, den ich morgen Abend bestimmt haben werde.
26. Kapitel
Ich wache früh auf. Vielleicht ist es auch mitten in der Nacht, unmöglich zu sagen. Ich frage mich, ob heute Nacht der Mond scheint, ob er seinen silbrig-blauen Schein über das Land jenseits des Berges wirft. Wenn in Claysoot Blaine so laut schnarchte, dass ich nicht schlafen konnte, pflegte ich zu den Viehweiden hinauszugehen und in den Himmel aufzuschauen. An manchen Abenden leuchteten die Sterne so hell und der Himmel erstreckte sich so weit, dass ich fürchtete, vom Gras abzuheben und ins Nichts davonzutreiben. Aber jetzt habe ich nur vier Steinwände.
Ich versuche in meine Träume zurückzukehren, aber mein Feldbett fühlt sich zunehmend hart an. Schließlich setze ich mich auf und ziehe die Stiefel an. Wenn ich schon nicht schlafen kann, sollte ich etwas Nützliches tun, und ich habe meinen Bruder schon viel zu lange nicht gesehen.
Das Krankenhaus von Crevice Valley ist nicht nur größer, sondern auch viel fortschrittlicher als das von Claysoot. Von innen leuchtende Leinwände blinken. Seltsame Maschinen summen. Als ich dort eintreffe, ist der Raum verlassen, nur die Patienten schlafen tief und fest im Halbdunkel. Im hinteren Teil, im allerletzten Bett, finde ich Blaine.
Man hat den Pfeil entfernt, und er schläft in Shorts. Ein Verband schlingt sich um seinen Oberschenkel. Es sieht albern aus, wie man ihn eingewickelt hat, als wäre sein Bein entzweigebrochen und man hätte versucht, es mit einem Stück Schnur wieder zusammenzubinden. Seine Haare wachsen nach, genau wie meine, und seine Brust
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