Tal der Tausend Nebel
Enge des Bootes zunächst dazu, seinen Rücken ein wenig zu streicheln. Es war gut. Ihr Herz überschlug sich nicht in Panik. Kelii hielt ganz ruhig, so wie man Ruhe gibt, wenn ein scheues Tier einen besucht. Elisa ließ ihre Finger über seine Wirbel spazieren. Sie konnte das pulsierende Leben in seinen Muskelsträngen mit ihren Fingerkuppen ertasten und fühlte einen kleinen Triumph. Sie hatte es geschafft. Eine erste Klippe von vielen hatte sie in dieser Nacht überwunden. Eines Tages würde sie ganz seine Frau sein können, das zumindest war ihr Ziel. Sie wollte ihn in ihren Armen stöhnen hören, wie er es einmal unter dem Wasserfall getan hatte, als Elisa noch keine Angst vor seiner Männlichkeit hatte. Sie würde wieder dort hinkommen und ihn streicheln, bis er von Glück ermattet lächeln würde. Der Weg würde schwierig für sie sein, denn schon jetzt im Boot stieg die Übelkeit wieder in ihr empor. Aber sie würde es mit der Zeit schaffen.
Um sich von der Übelkeit abzulenken, roch sie ein wenig an dem roten Lei. Eine Ewigkeit schien es her zu sein, als sie am Tag von Johannes’ Rückkehr mit Kelii und Johannes unter dem roten Jasminbusch stand und sich wie die schönste Frau der Welt fühlte. Tränen stiegen in ihr auf, aber sie gab dem Gefühl nicht nach. Es galt, stark zu sein und zu bekämpfen, was zwischen ihr und ihrem Liebsten stand. Sie würde es schaffen, das nahm sie sich in dieser Nacht fest vor.
Mit einem zaghaften Kuss auf jedes seiner Schulterblätter machte sie den Anfang und wurde mit einem wohligen Seufzer belohnt.
13. Kapitel
München, Oktoberfest 2010
In Majas Leben waren nach ihrer Rückkehr die ersten Wochen wie im Flug vergangen. Es war eine schwierige Zeit, nicht zuletzt wegen einer ihrer größten Charakterschwächen. Ihre Unentschlossenheit hatte ihr schlaflose Nächte beschert, während sie neben Stefan lag. Sie drehte ihm jetzt immer den Rücken zu, kapselte sich unter ihrer eigenen Decke ab und hoffte, er würde schnell einschlafen, ohne vorher den Versuch zu machen, mit ihr zärtlich zu werden. Aber nachdem er einige Male abgeblitzt war, hatte er Maja in Ruhe gelassen, so als würde er spüren, wie sehr sie mit sich kämpfte, Nacht um Nacht.
Tagsüber wusste sie es. Ihr Ringen war gegen sich selbst gerichtet, weil sie ihre eigenen Gefühle nicht verstand. Ihre Zeit mit Keanu war intensiv, aber kurz gewesen, vielleicht letztendlich nichts weiter als ein romantischer Wunschtraum von ihr. Wären da nur nicht ihre Träume von Elisa gewesen. Zwei Mal hatte Maja seit ihrer Rückkehr sehr intensiv von ihr geträumt. Einmal war Maja mit dem Paar vor der Küste von Oahu in einen Sturm geraten.
Das Boot mit Elisa und Kelii hatte auf den riesigen Wellen getanzt wie eine Nussschale. Regen peitschte von oben, Donner grollte und Blitze durchzuckten den tropischen Himmel, der mitten am Tag fast so schwarz wie die Nacht war. Es war ein unglaubliches Spektakel.
Elisa fühlte keinerlei Angst. Fast trotzig sah sie jeder neuen Welle entgegen, während Kelii meisterhaft das Paddel im Stehen führte, um sein Boot mal schräg und mal gerade über einen Wellenkamm zu führen.
Elisas Augen hatten vor Stolz gebrannt, als sie ihm dabei zusah. Nass vom Salzwasser lachte Kelii jeder neuen Herausforderung entgegen. Er schien glücklich und sang ein hawaiisches Lied, einen Lobgesang auf seine Götter, wie Maja es in ihrem Traum verstand. Und das war das Eigenartige, dass sie diese fremde Sprache in ihrem Traum verstand, sogar so gut, dass sie nach dem Aufwachen das ganze Lied auf Deutsch aufschreiben konnte.
Ein zweites Mal war Maja im Traum ganz bei Elisa gewesen. Sie waren jetzt an Land, Kelii und sie, ihr Boot war ein Stück weit an einem einsamen Sandstrand hochgezogen. Sie lagen einander in den Armen. Im Licht der frühen Sonne glühten ihre Küsse so heiß, dass Maja mit einer unglaublichen Sehnsucht aus dem Traum aufgewacht war. Ihr ganzes Sehnen galt an diesem Morgen Keanu, während sie es kaum ertragen konnte, mit Stefan gemeinsam zu frühstücken. Sie kam sich wie eine Schwerverbrecherin vor und litt enorm, weil sie mit niemandem über ihre Gefühle sprechen konnte.
Nach der formellen Nachricht bei Anela in Nizza hatte Keanu sich nicht mehr bei Maja gemeldet. Weder über Facebook noch über ihre E-Mail-Adresse hatte er ihr eine Nachricht gesandt. Seine Cousine Anela musste sich geirrt haben. Kein Mann, der wirklich Feuer gefangen hatte, hielt eine derartig lange Funkstille aus. So
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