Tal der Tausend Nebel
sangen um die Wette ihre ersten Lieder.
Kelii war auf dem gewundenen Pfad den Berg hinauf so verliebt in Elisa wie eh und je. Es stimmte, dass es schwere Zeiten waren, aber jedes Lächeln von ihr ließ sein Herz höher schlagen. Er würde alles für sie tun. Wenn auch Hoku seiner Liebsten nicht helfen konnte, so würde er es mit Jansons Blut tun müssen. Kelii würde grausame Rache an ihrem Vergewaltiger üben, damit Elisas Seele wieder in ihr Gleichgewicht kommen konnte. Das hatte er sich vorgenommen. Auf Kauai war ihm dieser Weg unmöglich erschienen, aber inzwischen wusste Kelii mehr. Es gab viele Wege, um Elisa zu rächen. Auch wenn es sonst nicht seine Art war, würde Kelii sogar einen heimtückischen Mord nicht ausschließen. Ihm ging es einzig und allein darum, eines Tages wieder den süßen Klang von Elisas Stimme zu hören.
Nach einem stundenlangen Marsch durch die Berge der Nordküste kamen sie endlich zu der Hütte von Nalanis Familie. Dort erwartete sie eine Überraschung, denn vor wenigen Stunden hatte Nalani ihr viertes Kind zur Welt gebracht.
Das junge Paar war am Ende seiner Kräfte. Drei kleine Kinder quengelten vor Hunger. In der halbfertigen Hütte herrschte Chaos. Hühner liefen frei umher, das irdene Kochgeschirr war verdreckt, und es war kein Essen mehr da.
Trotzdem war Elisa sofort wie bezaubert. Das Neugeborene war erneut ein kleiner Junge. Zufrieden lag er an der Brust seiner Mutter und trank bereits, auch wenn Nalani vor Schwäche kaum ihre Augen offen halten konnte. Auch ihr Mann war sichtlich erschöpft. Sie hatten keinerlei Hilfe, da sie weit weg von der nächsten Siedlung wohnten. Die Geburt hatte fast zwei Tage gedauert, außerdem war das Kind fast einen Monat zu früh auf die Welt gekommen, wie Makaio, der junge Vater, den Ankömmlingen erklärte.
»Wir waren noch nicht wirklich vorbereitet! Erst nächsten Mond sollte der Kleine kommen, oder aber meine Frau hat sich verrechnet …«
Nalani widersprach mit schwachem Lächeln.
»Von wegen verrechnet! Schau dir doch an, wie zart er ist … Er ist einen Mond zu früh auf die Welt gekommen. Ich habe zu viel gearbeitet …«
Kelii lächelte sanft, als er seine Cousine zur Begrüßung auf ihrem Lager vorsichtig umarmte.
»Wir hätten einen Lei mehr flechten sollen. Euer kleiner Sohn ist wunderschön …«
Nalanis Augen glänzten vor Freude, als sie von Kelii die fünf duftenden Leis für ihre Familie entgegennahm. Scheu nickte sie Elisa zu.
»Ich habe schon von dir gehört … Elisa, die Haifischfrau, die das Herz meines Lieblingscousins verzaubert … aber keine Stimme mehr hat.«
Nalani versuchte sich aufzurichten, um Elisa zur Begrüßung die Hand zu reichen, aber es misslang kläglich. Erschöpft ließ sie sich auf die Matte zurückfallen.
»Verzeih … mein Kleiner hier hat sich schwergetan. Er lag falsch herum, weißt du … Es war sehr anstrengend. Trotzdem würde ich gerne von meinem Lager aufstehen, um euch etwas zu essen zu machen, wie es sich nach den Gesetzen der Gastfreundschaft gehört …«
Sie lächelte Elisa schüchtern an.
»Aber ich bin leider zu müde, Schwester, und ich befürchte, Makaio ist es auch. Wir wären sehr dankbar für eure Hilfe … euch schickt der Himmel.«
Damit schlief sie auch schon ein, Arm in Arm mit ihrem Mann und dem neugeborenen Baby.
Das Erste, was Elisa an Nalani auffiel, war ihre samtweiche, tiefe Stimme. Und wenn Keliis schöne Cousine in den folgenden Tagen wach war, sprach sie immerzu in einer Art Singsang, der blumiger war als die Sprache der Frauen auf Kauai. So sprach man auf Maui, bekam Elisa erklärt. Aber auch Nalanis große Augen waren eindrucksvoll. Sie schienen immerzu über etwas zu schmunzeln, und ihre drei kleinen Söhne liebten das Lachen ihrer Mutter.
»Nimm du das Baby!«
Nalani strahlte Elisa vertrauensvoll an, als sie ihr das Neugeborene zum ersten Mal reichte, um es im Bach zu waschen. Zunächst war Elisa zögerlich. Ein so kleines Kind hatte sie noch nie auf dem Arm gehabt. Aber Nalani nahm ihr schnell die Scheu.
»Du kannst das, Elisa. Die Göttin Pele hat meine Gebete gehört und dich zu mir geschickt … Ich bin froh, dass du da bist, Schwester! Und ich bin mir sicher, dass mein kleiner Quälgeist hier es ebenso sieht. Dem Baby wird schon nichts passieren … Er ist zäher, als er aussieht. Denk nur daran, durch was für einen grauenhaft engen Tunnel er sich durcharbeiten musste, der arme Kleine!«
Wieder lachte Nalani ihr kehliges Lachen, um das Elisa
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