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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Kauai verhaftet würde, dann wüssten alle, dass ich noch am Leben bin und mit einem Hawaiianer in wilder Ehe lebe. Das würde furchtbare Folgen haben, vor allem für die Hawaiianer. Die Weißen würden es nie zulassen. Mein Onkel und die anderen weißen Plantagenbesitzer sind alle wie Janson. Sie nehmen sich, was sie wollen, notfalls mit Gewalt. Es ist egal, ob es Land, junge Mädchen oder am Ende Ihre Krone ist … sie wollen nur Macht und Profit, und das bedeutet notfalls auch gewaltsame Eroberung. Janson will meine Apfelplantage. Dabei war es Land, das mein Vater für mich bestimmt hatte! Aber wenn meine Mutter einmal nicht mehr ist, besitzt es sicher bald mein Vergewaltiger …«
    Leise fügte Elisa noch hinzu: »Manchmal hasse ich mein Volk. Ich schäme mich für die Weißen, weil sie arrogant, dumm und grausam sind.«
    Lili’uokolani lächelte milde.
    »Du bist noch so jung, mein Kind. Die Jugend spricht heiße Worte, aber ich kann dir versichern, dass es auch gute Weiße gibt. Mein Berater Sanford Dole, zum Beispiel … Seit Jahren dient er treu unserer hawaiischen Monarchie.«
    Königin Lili’uokalani war ganz anders, als Elisa sie sich vorgestellt hatte. Mit Ende fünfzig war sie aufgeschlossen für alles Neue und wirkte zwanzig Jahre jünger. Ihre gemeinsamen Gespräche waren unkompliziert, intelligent und warmherzig.
    In den Monaten bis zur Geburt ihres Kindes verbrachte Elisa so viel Zeit wie es ging mit der weisen Königin, die begonnen hatte, an ihrer Biographie zu arbeiten. Lili’uoakalani stellte viele intelligente Fragen, aber sie hatte mindestens so viele Antworten für Elisa parat. Nur den einen Mann, der fast täglich zu ihr kam, um sich mit ihr zu beraten, den durfte Elisa nie treffen. Jedes Mal, wenn Sanford Dole von einem der Bediensteten angemeldet wurde, musste Elisa zurück in ihre bescheidenen Gemächer. Sie teilte den Wohnraum mit Keliis Mutter. Elisa mochte es nicht, wenn sie sich verstecken musste. Aber Dole sollte auf keinen Fall wissen, dass Elisa Vogel am Königshof weilte.
    »Wegen des geplanten Anbaus der Ananasfrucht auf den anderen Inseln hält Dole derzeit auch sehr enge Verbindungen zu den Plantagenbesitzern auf Kauai. Daher halte ich es für zu gefährlich für dich, mein Kind.«
    Damit schickte sie Elisa wieder einmal auf ihr Zimmer.
    Allein mit ihrem Liebsten besprach Elisa das Thema ausführlich.
    »Also vertraut Lili’uokalani ihrem Berater doch nicht so ganz, oder?«
    Kelii gab ihr recht, wusste aber durch seine Beziehung in Honolulu zu den Königstreuen noch einiges mehr.
    »Unserer Meinung nach ist Sanford Dole mit daran schuld, dass das hawaiische Königshaus immer stärker diskreditiert wird. Wie kann er Lili’uokalanis Ideen derartig ungefiltert in der Öffentlichkeit ausbreiten? Das ist nicht diplomatisch, wenn die Königin die hawaiische Monarchie erhalten will. Das muss Dole eigentlich wissen, handelt aber nicht danach. Die Steine-Esser fürchten schon eine baldige erneute Attacke auf das Königshaus. Und diesmal wird Lili’uokalani vielleicht sogar permanent unter Hausarrest gesetzt.«
    Ihr kleines gemeinsames Schlafzimmer, das neben den Gemächern von Keliis Mutter lag, war hellhörig. Mehr als einmal kam die Mutter herüber und bat um Mäßigung, wenn Kelii und Elisa leidenschaftlich politisierten, nachdem er von den Versammlungen der Königstreuen in Honolulu zurückkam. Die Mutter hielt nicht allzu viel von den Steine-Essern, weil dort hauptsächlich junge Männer das Wort führten.
    »Lili’uokalani ist die fortschrittlichste und klügste Monarchin, die wir hawaiischen Frauen uns wünschen können. Sie wird speziell Schulen für hawaiische Mädchen gründen, und zwar auf allen Inseln. Sie wird versuchen, den Fluch von Mai Pake zu bannen und europäische Ärzte auf unsere Inseln holen, um die Krankheit für immer zu besiegen. Lili’uokalani will ein modernes Hawaii, das mit der Welt mithalten kann, und genau das muss Sanford Dole der Öffentlichkeit vermitteln, auch wenn es nicht einfach ist.«
    Elisa erwiderte darauf nichts. Sie verstand sich nicht besonders gut mit Keliis Mutter. Sie glaubte, Ablehnung gegen ihre weiße Haut und europäische Herkunft zu spüren, obwohl in ihrer Gegenwart nie ein einziges negatives Wort fiel. Bei Kelii sprach sie aus, was sie quälte.
    »Deine Mutter hasst mich. Ich kann es fühlen … und ich verstehe sie sogar. Sie trägt für ihre Königin dieses unbequeme Korsett, die einengenden Schuhe und pudert sich ihre Haut

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