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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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das letzte Mal gesehen hatten.
    Aber es geschah nichts. Elisa kam nicht. Stattdessen geschah etwas anderes. In der Stille, verborgen unter der schwarzen Wasseroberfläche, berührte Maja Keanus samtweiche Haut. Wie anders sie sich anfühlte als ihre eigene. Seine Hand ermutigte die ihre. Sie befühlte forschend seine muskulösen Schultern, dann legte sie ihre Hand auf seine Brust. Sie fühlte sein Herz. Es schlug stetig und ruhig. Er nahm ihre Hand und führte sie zu seinem Mund. Blind fühlte sie den heißen Druck seiner Lippen. Sie konnte nicht anders, als seinem Wunsch zu folgen.
    Ihr erster Kuss dauerte so lange wie der Sauerstoff reichte, den Maja in ihren Lungen hatte. Atemnot zwang sie zurück an die Meeresoberfläche, und sie tauchte auf wie aus einem Rausch. Waren unter der Wasseroberfläche lediglich Sekunden vergangen? Waren es Minuten gewesen? Sie hatte Elisa nicht in dem Nebelfeld wiedergesehen, aber sie fühlte sich seit ihrem ersten Kuss merkwürdig verändert. War Maja noch sie selbst?
    Ihr Herzschlag klopfte fiebrig-aufgeregt in ihrem ganzen Körper. Mit einem Mal empfand sie ihre Unterwäsche als störend, und unwillig streifte sie beide Teile ab. Sie musste nackt sein.
    Keanu war neben ihr und lachte sie an. Auf der Wasseroberfläche treibend versuchte sie sich die Unterwäsche ums Handgelenk zu wickeln, während er ihr amüsiert zusah.
    »Brauchst du Hilfe?«
    »Nein … geht schon.«
    Aber in ihrer Aufregung war sie viel zu ungeschickt und bittend hielt sie ihm schließlich ihren Arm hin.
    »Hilfst du mir doch …«
    Keanu verstand sie, und auch er zog unter Wasser seine Shorts aus und wickelte sie sich um das Handgelenk. Er lächelte sie an.
    »Komm zurück mit mir in die Tiefe … Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Ich habe keine«, log Maja und sah unsicher in Richtung Ufer. Sie waren sehr weit von der Promenade weg. Außer den beiden nächtlichen Anglern würde sie niemand sehen können.
    »Komm … wir spielen mit den Haien. Es sind zwei kleine dort unten, ganz harmlos. Sie fressen nur kleine Fische …«
    Damit gingen sie erneut auf Tauchstation.
    Für Maja war es ein herrliches Gefühl, nackt im nächtlichen Meer zu sein. Das Wasser streichelte sie jetzt überall. Zusammen mit Keanus Händen, die ihren Köper neugierig erforschten, baute sich eine Spannung auf, die fast unerträglich war. Wie Kinder, die etwas Verbotenes tun, dachte sie. Einmal kurz öffnete sie ihre Augen. Sie sah einen grauen Körper an sich vorübergleiten, nicht länger als einen Meter.
    Bei ihrem erneuten Auftauchen verzogen sie fast gleichzeitig die Gesichter zu einem verschwörerischen Lächeln. Keanu lachte als Erster laut auf.
    »Du bist auch eine Haifischfrau … lange war ich nicht mehr so verrückt wie mit dir. Seit ich ein Junge war!«
    Er erklärte ihr, dass dieses Unterwasserspiel die Art ist, wie Mädchen und Jungen auf Hawaii gewöhnlich ihre Körper erkunden, sobald sie beginnen, sich für Sex zu interessieren. Sein Lächeln wurde breit und breiter, als er erzählte, dass er einmal mit einem deutschen Mädchen, Tochter von Touristen, dieses Spiel gespielt hatte. Seine Eltern hätten nichts dagegen gehabt.
    »Unter Wasser, so sagt man bei uns, kann man nicht wirklich … Satan begehen.«
    Über seine Formulierung musste Maja lachen.
    »Du meinst Sünden begehen. Aber das ist Unsinn. Wenn deine Familie religiös ist und bei euch Wert auf Keuschheit gelegt wird, dann bleibt eine Sünde eine Sünde, ob über oder unter Wasser.«
    Ihre Augen blitzten ihn herausfordernd an.
    Keanu hatte aufgehört zu lächeln. Erneut sah er ihr intensiv in die Augen, wie er es bereits beim Essen getan hatte, als er mit ihr über die Kahuna seines Volkes sprach. Seine Stimme klang ernst.
    »Das würdest du nicht verstehen. Du kannst das nicht verstehen. Du wirst denken, ich sei verrückt, aber bei uns ist vieles anders.«
    Erneut ließen sie sich in den Wellen treiben. Maja genoss das herrliche Gefühl, vom Mondlicht gebadet zu werden, während sie seiner Stimme lauschte.
    »In dem Dorf der Haifische, aus dem ich komme, ist alles sehr wichtig, was sich unter Wasser abspielt. Dort lebt unsere eigentliche Seelenfamilie. Wir gehören zum großen Klan der Haifische. Verstehst du? Wir sind der Teil der Familie, die mit zwei Beinen hier auf dem Land leben muss. Aber ein Teil unserer Seele lebt immer im Meer. Nur zusammen sind wir ein großes Ganzes, weswegen wir auch die Asche unserer Toten zurück ins Meer bringen.«
    Maja dachte

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