Tal der Tausend Nebel
über diesen Gedanken nach. Wie es wohl sein mochte, sich so als Mensch zu definieren. Ein Teil von dir macht alles, was andere Menschen auch tun. Du gehst zur Schule, machst deinen Führerschein, heiratest, bekommst Kinder und zahlst Steuern. Aber dann gibt es noch einen anderen Teil von dir, der frei und wild in einer anderen Welt lebt.
»Ich beneide dich«, sagte Maja schließlich in sein Schweigen hinein, während sie zum Mond hinaufsah.
»Oft wünsche ich mir ganz frei zu sein … auch ohne Vergangenheit und Zukunft. Einfach nur ein freies Wesen zwischen Himmel und Erde.«
Keanu fuhr fort.
»Vielleicht bist du so frei. Vielleicht ist auch ein Teil deiner Seele im Meer verteilt, vielleicht sogar über die ganze Welt. Keine Grenzen mit Pass und Gesetzen. Aber vielleicht ist unser Klan der Haifische auch nur, wie sagt man bei euch, die Idee von einer Art Familienseele. Verstehst du?«
Maja schwieg eine Weile, denn sie verstand nicht genau, was er sagte. Sie wusste nur, dass in dieser Nacht in ihrem Leben etwas geschehen war, das sie für immer verändern würde. Es hatte sich eine Tür geöffnet, die ihre Seele betraf. Keanu schwamm jetzt dicht an ihrer Seite.
»Ich fühle bei dir meine Familienseele. Du bist eine Tochter der Haifischfrau.«
Sein intensiver Blick wurde ihr im nächtlichen Meer fast unheimlich, denn der sichere Strand war sehr weit weg. Zudem spürte sie eine Schwäche in sich, die ihre Arme und Beine bleiern werden ließ. Es war ihre Angst. Was hatte diese Haifischseele auch letztendlich mit den starken sexuellen Gefühlen zu tun, die zwischen ihnen das Wasser aufzuladen schienen. Sie hatte sehr starke sexuelle Gefühle für ihn und das alleine bedeutete schon Verwirrung genug für Maja.
So als könnte er erneut ihre Gedanken lesen, strich Keanu ihr zärtlich eine nasse Strähne aus der Stirn. Dann lächelte er sie entschuldigend an.
»Mein Volk hat auch sehr viele Kapus, strenge Gesetze zwischen Mann und Frau. Aber kein Gesetz ohne Ausnahmen. Heute ist der Mond voll. Bei uns auf den Islands gehören diese Nächte den Göttern des Lebens. Auch wenn du nicht eine von uns bist, heute Nacht bist du meine Haifischfrau. Kommst du?«
Maja konnte kaum noch nicken, als er sie bereits erneut mit sich unter die Oberfläche zog. Weiter ging Keanus Spiel. Diesmal spürte sie seine forschenden Hände auf ihren Brüsten. Ihre Erregung nahm zu, als seine Finger sich in langsamen Kreisen zu ihrem Bauchnabel vortasteten. Einen Moment versenkte er einen Finger dort im Nabel, so als wollte er etwas überprüfen. Es kitzelte. In Majas Aufregung mischte sich ein Gefühl von aufkeimender Zärtlichkeit. Keanu war ein wenig wie ein verspieltes Kind. Er kam auf Ideen, die ihren bisherigen drei Liebhabern nicht einmal im Traum eingefallen wären. Als Nächstes umfassten seine Hände ihre Hüften. Er zog sie mehrmals hintereinander fest an sich, so als wollte er mit ihr verschmelzen. Sie spürte seine Begierde hart an ihrem Schenkel und erschrak. Wollte er in sie eindringen? Dann war der Moment vorüber.
Keanu ergriff ihre Hand und zog sie mit sich zurück an die Oberfläche. Maja verfluchte den Sauerstoff, der sie erneut zum Auftauchen zwang.
»Was willst du wirklich?«
Maja wusste es nicht. Aber das Auf- und wieder Abtauchen mit ihm wurde Teil eines spannenden erotischen Abenteuers, wie Maja es noch nie erlebt hatte. Sie blieb im Bann seiner Hände, bis ihre Lungen zu platzen drohten. Seine geschickten Finger brachten sie mehrfach an den Rand einer Unterwasserexplosion. Seine Neugier, was die Reaktionen ihres Körpers betraf, schien unstillbar. Noch nie hatte er eine Haole so intensiv berührt, wie sie zwischendurch beim Auftauchen erfuhr. Es machte ihm unglaublichen Spaß.
Im nächtlichen Meer erforschte er ihren Körper bis in den letzten Winkel mit Händen, Lippen und schließlich seiner Zunge. Maja trieb in einer Woge von Lust, die nicht enden wollte. Er hielt ihre Hüften in seinen Händen wie einen heiligen Gral. Nie zuvor hatte sie bei einer sexuellen Begegnung diese Art von Intensität erfahren. Ihr Körper begann zu schmelzen. Sie wurde Teil eines größeren Wesens. Tief unten auf dem Meeresboden streckte dieses Etwas seine vielen Tentakeln nach ihr aus.
Maja begann hinter ihren geschlossenen Augenlidern eine Art Licht zu sehen, das sich kreisförmig auf sie zu bewegte. Sie hörte tief unten im Wasser einen Ton, der hell und melodisch war. Der Druck auf ihrer Brust wurde größer. Sie drohte zu
Weitere Kostenlose Bücher