Tal der Traeume
»Wenn nicht, könnte er morgen früh tot sein.« »Du lieber Himmel, um wen geht es denn?« »Um einen Schwarzen namens Yorkey Moon.« William schnaufte. »Sagtest du Moon? Das ist ein seltener Name, Zack.« »Was du nicht sagst.« »Ist er mit dem anderen Moon verwandt? Mit Jimmy?« »Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon. Sibell regt sich in letzter Zeit ohnehin über die ganze Gewalt im Land auf, und nun hat sie gesehen, wie man ihn blutüberströmt aus dem Zug holte.« »Oh nein!« »Ich sollte besser von Anfang an berichten. Er hat mir das Leben gerettet, nachdem ich angegriffen worden war. Er fand mich am Wegesrand.« »Kam er zufällig vorbei?« »Zuerst sah es so aus, aber ich bin mir nicht mehr sicher.« Zack zuckte die Achseln und verzog das Gesicht. »Hört sich an, als wüsste ich vieles nicht, aber ich werde es schon herausfinden.« Er erzählte die ganze Geschichte, so schnell es ging. William war voller Mitgefühl, schien aber nicht zu wissen, wie er helfen könnte. Zack beugte sich vor. »Dein Freund, Patsy Vickery, ist doch Oberster Richter. Er könnte eine Kaution festsetzen, und sei es nur, um einem Freund einen Gefallen zu tun.« William dachte einen Augenblick nach. »Schwer zu sagen. Vor allem, wenn wir ihn um diese Uhrzeit stören. Sollten wir nicht besser morgen früh mit einem Anwalt hingehen?« »Nein, so viel Zeit haben wir nicht. Yorkey hat zahlreiche Verletzungen davongetragen, ich kann ihn in diesem Dreck nicht allein lassen.« »Gut, versuchen wir es«, sagte William. »Patsy liebt Schnaps, und ich habe einen guten Tropfen hier. Den nehmen wir mit.« Auch Patsy war noch auf und hatte nichts gegen Besucher einzuwenden. »Kann bei dieser Hitze sowieso nicht schlafen. Ich bete, dass der Winter bald kommt. Ein verdammt kalter irischer Winter und Regen, bis einem die Knochen gefrieren, nicht dieser dampfende Nebel. Irgendwann fahre ich nach Hause, das könnt ihr mir glauben.« »Hör auf«, meinte William lachend. »Du willst schon nach Hause, solange ich dich kenne. Du würdest da drüben eingehen.« Er überreichte die Flasche, und Patsy strahlte. »Schnaps für mich, William? Du bist die Güte in Person. Hab so eine Flasche schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« »Es ist mir ein Vergnügen.« »Allmächtiger Gott, Zack! Wusste gar nicht, dass du hier bist. Hast dich mit einem Wilden angelegt, was? Dachte, du wüsstest es besser.« Zack lachte. »Ich habe ihn zu spät gesehen, Patsy.« »Und was verschafft mir die Ehre eures späten Besuchs? Wollt ihr Karten spielen, um euch die Nacht um die Ohren zu schlagen?« Er spähte sie aus scharfen grünen Augen an. »Doch wohl nicht. Was also wollt ihr von mir?« Der Oberste Richter hörte sie an. »Seid ihr verrückt?«, fragte er schließlich. »Mollard schmeißt mich raus, wenn ich Schwarze auf Kaution freilasse.« »Er muss es ja nicht erfahren«, meinte William. Sie diskutierten den Fall, bis Zack schließlich sagte: »Patsy, er hat mir das Leben gerettet. Ich stehe in seiner Schuld. Und er wurde im Gewahrsam der Polizei zusammengeschlagen. Das könnte Schwierigkeiten geben. Die halbe Stadt hat gesehen, wie man ihn blutend und beinahe bewusstlos aus dem Bahnhof trug.« Doch Patsy konnte mit weiteren Informationen über Yorkeys Fall aufwarten. »Die Männer, die euren Nigger verprügelt haben, standen wegen Viehdiebstahls unter Arrest. Drüben in Glenelg. Die Polizei dachte, sie wären im Wachwagon sicher untergebracht, doch sie konnten befreit werden, noch ehe der Zug Pine Creek verlassen hatte. Einige ihrer Kumpel sprangen in den Zug und holten sie raus, nachdem sie den Wachposten niedergeschlagen hatten. Sie haben euren Nigger verprügelt.« »Wieso?« »Aus zwei Gründen, wenn man dem Dienst habenden Constable glauben darf: Yorkey hat Syd Walshs Haus niedergebrannt und die Männer wegen Viehdiebstahls angezeigt. Und nun haben sie sich gerächt.« Der Alkohol stimmte sie gesprächig. Sie redeten über das Wetter, während Zack seine Ungeduld nur mühsam bezähmen konnte. Schließlich wurde doch eine Kaution vereinbart. Wer interessierte sich schon für Syd Walsh, den ohnehin keiner leiden konnte? Ein gemeiner Viehdieb, das war allgemein bekannt. Und wenn jemand sein Haus niederbrannte, hatte er schon guten Grund dazu. Die Papiere wurden ausgestellt, unterzeichnet und beglaubigt. Die Uhrzeit festgehalten. Bewaffnet mit Yorkeys verbrieftem Recht auf vorübergehende Freiheit stiegen William und Zack in das Gig des Reverends.
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