Tal der Traeume
verstehe mich nicht mit meinen Eltern, William, deshalb muss ich weg. Wenn ich nach Darwin führe, würde meine Mutter darauf bestehen, mich zu begleiten.« »Das ist aber schade. Warum verstehen Sie sich nicht mit ihnen?« Sie zuckte mit den Schultern. »Es gibt keinen besonderen Grund. Sie wollen einfach mein ganzes Leben bestimmen und lassen mir keine Luft zum Atmen.« »York wäre also die Lösung?« »Sieht so aus«, meinte sie dumpf. »Sie könnten auch auf andere Weise nach Darwin gelangen.« »Wie?« »Indem Sie mich heiraten.« Nun war es heraus! William war aufs Ganze gegangen. Die Würfel waren gefallen, er hatte angesichts ihrer Drohung, die Stadt zu verlassen, keine andere Wahl gehabt. Er umklammerte seinen Hut.
Nach dieser nervenaufreibenden Erfahrung wäre es eine Erleichterung, ins Territorium zurückzukehren, wo er sich auskannte, wo er zu Hause war. Er schaute sie an, wünschte, sie würde etwas sagen, und entdeckte die Tränen, die ungehindert über ihre Wangen flossen. »O Gott, Harriet, tut mir Leid, wenn ich Sie aus der Fassung gebracht habe…« Sie tastete wieder nach ihrem Taschentuch. »Das sollte Ihnen auch Leid tun. Sie sind genauso schlimm wie alle anderen. Meinen Sie etwa, ich heirate nur, weil Sie mir nützen können? Weil ich Sie als Fluchthelfer betrachte? Sind eigentlich alle Menschen so unaufrichtig und selbstsüchtig, dass sie den wahren Sinn der Ehe vergessen haben? William, ich bin nicht so, und es tut weh, wenn Sie mich so gering achten.« Die Tränen waren verschwunden, in der Hitze des Zorns getrocknet, und er schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Nein, nein, Sie irren sich. Ich wollte Ihre Gefühle nicht verletzen. Allmächtiger Gott, Harriet, das würde ich niemals tun. Ich liebe Sie. Ich wollte Ihnen helfen, aber mir will nichts gelingen. Ich möchte, dass Sie mich heiraten. O Gott, was rede ich denn da? Natürlich nur, wenn Sie mich haben wollen.« Er hielt inne. »Wenn Sie mich haben wollen«, wiederholte er und schaute wie betäubt zu der Jacht hinüber, die mit schlaffen Segeln auf dem Fluss schaukelte. Schließlich fand Harriet die Sprache wieder. »William Oatley, Sie sind ein wunderbarer Mann. Wenn Sie mir vergeben können, wäre ich stolz, Ihre Frau zu werden…«
An diesem Abend sprach William bei Oscar Cunningham vor und bat ihn in aller Form um die Hand seiner Tochter. Der Vater war überrascht, da Harriet die morgendliche Begegnung mit keinem Wort erwähnt hatte. Als sie in einer neuen, weißen Bluse und einem marineblauen Rock die Treppe herunterkam, starrte Merle sie mit offenem Mund an. »Hast du davon gewusst?« »Natürlich, Mutter. William und ich haben uns heute Morgen lange unterhalten. Wir hoffen, so bald wie möglich zu heiraten, weil er nach Darwin zurückkehren muss.«
William überließ Merle, die sich vor Aufregung kaum zu lassen wusste, die Vorbereitung der Hochzeit und stellte nur eine einzige Bedingung. »Ich bin nicht religiös. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, Harriet, aber ich würde lieber standesamtlich heiraten.« Merle war entsetzt. »Nein, das geht nicht. Die Kathedrale eignet sich wunderbar für Hochzeiten. Sie können Ihrer Braut doch nicht den Tag verderben.« »Ich empfinde mich auch so als Braut«, erwiderte Harriet entschlossen. »Das Standesamt ist absolut in Ordnung.« William lächelte. »Danke, meine Liebe. Ich habe nichts dagegen, wenn du deinem Glauben anhängst oder den Gottesdienst besuchst, aber ich werde nicht mitgehen. Ich hoffe, du kannst das akzeptieren.« »Das ist fair. Ich werde mich daran halten.« Nachdem der Sturm der Gratulationen vorüber war, fühlte William sich als glücklichster Mann in Perth. Im Hotel schrieb er Myles, er werde Miss Harriet Cunningham heiraten, er habe ja bereits das Vergnügen ihrer Bekanntschaft gehabt. In dieser Nacht konnte er kaum schlafen, weil er so aufgeregt war und insgeheim fürchtete, Harriet könne es sich doch noch anders überlegen.
Bei Sonnenaufgang saß er über dem nächsten Brief, diesmal an Pop Oatley auf der Station, den er beinahe vergessen hatte. Dann fiel ihm ein, dass Harriet einen Verlobungsring brauchte. Ein Juwelier bemerkte lange vor der Ladenöffnung, dass ein großer, sonnengebräunter Mann vor seinem Geschäft auf und ab lief. Er hielt ihn zunächst für einen der üblichen Hinterwäldler, erkannte dann aber William Oatley persönlich und öffnete rasch die Tür. »Ich möchte einen Ring für eine Dame kaufen«, erklärte William. »Einen
Weitere Kostenlose Bücher