Tal des Schreckens
hatte. »Tja, wenn das tatsächlich das Tal des Schreckens ist, haben wir ein Problem. Wir fahren dann einen größeren Umweg. Einige Meilen. Du hattest ganz Recht, Bob, aber schließlich und endlich kommen wir wieder auf die richtige Straße. Alles okay.« Er blickte auf, da ihm vom konzentrierten Sehen auf die Karte bei dem Geholper langsam schlecht wurde. »ACHTUNG, BOB!«
Augenblicklich trat Bob auf die Bremse. Fast hätte er den dunklen Schatten erwischt, der seitlich aus den Hecken auf den Weg gehuscht kam. Die Reifen des VW verloren ihren Griff und kamen ins Rutschen. Mit einem kratzenden Geräusch verabschiedete sich der Käfer vom Waldweg und landete im Seitengraben. Peter stieß einen erschrockenen Schrei aus. Justus hätte es fast vom Sitz geschleudert, während Bob ins Lenkrad verkrallt entsetzt durch die Windschutzscheibe starrte. Im Licht der Scheinwerfer, die jetzt schräg nach oben leuchteten, erschien ein bleiches Gesicht. Einen winzigen Moment nur erkennbar, verschwand es sofort wieder.
»Ein Geist«, kreischte Peter. »Der indianische Geist! Er kommt uns holen!«
»Quatsch!« Wuchtig stieß Justus die Seitentür auf. »Sei doch nicht immer so panisch! Es gibt keinen Geist, zumindest nicht so einen. Ich glaube, das war eine Frau! Aus Fleisch und Blut. Die entkommt uns nicht!«
»Du darfst hier nicht aussteigen, Justus«, rief Peter keineswegs beruhigt. Entsetzt sah er, wie Justus trotz seiner Warnung aus dem Wagen sprang.
»Das ist jetzt was anderes, Peter!«
Der Schatten war längst auf der anderen Seite des Weges verschwunden. Dort wuchs ziemliches Dickicht. Justus versuchte, die Stelle genau zu fixieren. Mit einigen wenigen Schritten war er an einem Busch und bog ihn zur Seite. Nichts.
»Da vorne ist sie«, schrie Bob. Auch er war inzwischen aus dem Wagen gestiegen, um Justus im Notfall beizustehen.
Justus drehte sich um und starrte den Weg entlang. Im flachen Scheinwerferlicht schritt ihm mechanisch eine Frauengestalt entgegen. Sie hielt die Hand vor das Gesicht, um sich vor der Blendung zu schützen. Ihre kurzen strähnigen Haare klebten wirr am Kopf, als ob sie kilometerweit gerannt wäre. Doch durch die hochhackigen schwarzen Lackschuhe und den schicken dunklen Hosenanzug schien sie eher von einer exklusiven Party als aus der Wildnis zu kommen.
Vorsichtig wich Justus zurück, bis er neben Bob zum Stehen kam. Peter schien auf dem Rücksitz des VW festzukleben.
Die Frau kam näher. Justus schätzte sie auf Mitte zwanzig. Er spürte, wie Bob sich an ihn drängte.
Als sie sich bis auf wenige Meter genähert hatte, trat die Frau aus dem Lichtstrahl heraus und nahm die Hand vom Gesicht. Justus konnte erkennen, dass sie eine kräftige Brille mit dicken schwarzen Bügeln trug. Die Lippen waren geschminkt, sie schien zu lächeln.
»Hallo«, sagte sie. Ihre Stimme klang unsicher, seltsam matt und eintönig. »Euch schickt der Himmel. Ihr seid von Union Trust? Ihr kommt mich doch abholen, oder? Ich habe so lange gewartet, so lange.«
Justus war dermaßen überrascht, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte.
Bob stotterte irgendetwas, aber Peter brachte Bewegung in die Situation, indem er ausstieg. Jetzt traute auch er sich, denn nun war er endlich davon überzeugt, einen richtigen Menschen vor sich zu haben.
Die Frau sah ihn mehrere Sekunden lang an. »Wer bist du? Du siehst gut aus. Ich vertraue dir. Ich komme zu dir.« Sie ging langsam auf Peter zu.
Justus wollte seinen Ohren nicht trauen. »Jetzt reicht es aber! Sie tauchen hier auf wie ein Nachtgespenst, quasi aus dem Nichts, und reden dieses unzusammenhängende Zeug! Was soll die Nummer?«
»So wirr ist es doch gar nicht«, murmelte Peter. Justus warf ihm einen unfreundlichen Blick zu und redete dann weiter auf die Frau ein: »Jetzt sagen Sie bitte, wer Sie sind und was Sie hier zu suchen haben!«
Erstaunt drehte sich die Frau um. »Ich bin ... Debby«, stotterte sie, »ja doch ... ich muss Debby sein. Wer denn sonst? Wo bin ich?«
»In den Magic Mountains natürlich«, klärte Justus sie auf und wollte schon wieder lospoltern, als Bob ihn zurückhielt. »Haben Sie Kopfschmerzen?«, fragte er Debby.
Sie nickte. »Ja, sehr. Seltsam, woher weißt du das?« Immer noch sprach sie wie in Trance.
»Und können Sie sich erinnern, was passiert ist?«, fragte Bob vorsichtig weiter. »An die letzten Stunden?«
»Ich ... weiß nicht.«
»Wo wohnen Sie denn?«
»Ich glaube, in Silver City. Ja, ich komme aus Silver City. Ich sollte ...
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