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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beseitigt.
    Nur einen Pflasterverband hob Leonora ab und betrachtete die versorgte Wunde. Sie hätte es nicht besser machen können als Pepau. »Wann wollten Sie wiederkommen?« fragte sie und richtete sich auf.
    »Heute gegen Mittag.«
    »Ich würde die Drainagen schon jetzt wechseln und noch einmal starke Antibiotika geben. Wir haben doch Fortral bei uns?«
    »Ja.«
    »Dann jedem noch eine Injektion mit Fortral, damit sie schmerzfrei sind.«
    »Ja, Chefin.«
    Sie sah Schmitz an und mußte plötzlich lächeln. »Ich habe Ihnen unrecht getan«, sagte sie betont. »Ihre Arbeit ist vorzüglich.«
    »Danke.«
    »Es ist eigentlich eine Schande, daß Sie hier im Urwald vielleicht verschimmeln werden, statt Ihre Klinikpraktiken zu sammeln.«
    »Ich möchte Erfahrungen sammeln – ich sagte es Ihnen schon bei unserem ersten Gespräch.«
    »Erfahrungen in der Wildnis?«
    »Gerade in der Wildnis. Es würde mich reizen, einmal in einem Urwaldkrankenhaus zu arbeiten oder in einem Entwicklungsgebiet, an der vordersten Front, wo uns die Menschen am nötigsten brauchen. Wo für Tausende nur ein Arzt vorhanden ist.«
    »Ein kleiner Albert Schweitzer.«
    »Jetzt spotten Sie wieder. Aber wenn Sie so wollen, ja! Ich bewundere Schweitzer, er ist mein Vorbild. Ein jeder Mensch sollte für sein Leben ein Vorbild haben und damit ein Ziel.« Er sah Leonora tief in die Augen. »Haben Sie ein Vorbild, Chefin?«
    »Ja, meinen Vater. Deshalb suche ich ihn ja auch.«
    Sie gingen durch den langen Raum zum Türloch zurück und atmeten tief auf, als sie wieder an der frischen Luft standen. Zynaker wartete unten an der Treppe, der große Krieger stand, auf seinen Speer gestützt, neben dem Eingang.
    »Sag ihm, seine Freunde können weiterleben, wenn wir ihnen helfen«, wies Leonora Samuel an. »Es sieht gut mit ihnen aus.«
    Samuel übersetzte, aber der Uma rührte sich nicht. Keine Antwort, kein Mienenspiel, keine Regung in den schwarzen Augen.
    »Ich möchte wissen, was er jetzt denkt.« Leonora stieg die Treppe hinunter und hatte das Bedürfnis, sich bei Zynaker einzuhaken, den Kopf an seine breite Brust zu legen, die Arme um ihn zu schlingen und sich bei ihm geborgen zu fühlen. Statt dessen mußte sie ihn fast gleichgültig ansprechen, so wie sie auch mit den anderen redete. »Sie machen einen guten Eindruck«, sagte sie mühsam. Der Blick seiner Augen durchfuhr sie, seine körperliche Nähe war wie ein Sog, der sie mitreißen wollte. Sie stemmte sich dagegen an, indem sie einfach an ihm vorbeiging und Reißner und Kreijsman zuwinkte.
    Pater Lucius kam von den Waschtrögen zurück. Er hatte den Kopf in das Wasser gesteckt und fühlte sich jetzt munterer. Ein paar Frauen redeten auf ihn ein, zeigten zum Männerhaus eins, und wenn er auch nichts verstand, eins begriff er doch, und das ließ ihn mit großen Schritten auf Leonora zugehen. Fast gleichzeitig trafen sie auf dem Dorfplatz zusammen. Reißner wollte etwas sagen, aber eine Handbewegung von Pater Lucius ließ ihn erstaunt verstummen.
    »Leonora«, rief der Pater, der aus der Fassung geraten zu sein schien, »Pepau, daß ihr noch lebt, ist fast wie ein Wunder!« Er nickte zu dem großen, stummen Krieger an der Tür des Männerhauses eins hin, zu diesem dunkelbraunen, mit weißen und roten Streifen bemalten Muskelpaket mit dem Paradiesvogelschweif im krausen Haar. »Wenn ich das vorher gewußt hätte – ich hätte euch festgebunden. Wißt ihr, wer das ist?«
    »Nein«, sagte Leonora erschrocken.
    »Hano Sepikula, der feindliche Bruder, dem wir sein Gesicht rauben sollen.«
    Der ganze Stamm der Uma schien damit beschäftigt zu sein, das große Fest vorzubereiten. Im Dorf wimmelte es von nackten oder halbnackten braunen Gestalten, Schweine und Hühner wurden zusammengetrieben, Bananenstauden schleppte man heran, an vielen Stellen wurde Sagomehl gestampft, überall loderten Feuer, Hunderte von Gerüchen verjagten die sonst reine, klare Luft, von Haus zu Haus, über den Festplatz hinweg, wurden Girlanden aus Vogelfedern gespannt, vornehmlich aus den Frauenhäusern brachte man die Schrumpfköpfe heraus und dekorierte damit die Außenseiten, und etwas abseits saßen die Krieger auf dem Boden und bemalten einander Gesichter und Körper mit leuchtenden Pflanzenfarben.
    »Es sind mindestens achthundert Menschen«, stellte Pater Lucius fest.
    »Und das alles erinnert mich stark an den Aufbau eines Jahrmarktes.« Reißner fotografierte unaufhörlich. »Fehlt bloß noch, daß sie ein Karussell

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