Talitha Running Horse
»Talitha Running Horse.«
Für einen kurzen Augenblick huschte ein Schatten über Toms Gesicht und er fragte: »Ist Charlene deine Tante?«
Ich nickte. »Mein Dad hilft ihr manchmal, wenn es was zu reparieren gibt. Deshalb bin ich ab und zu hier.«
»Charlene ist nicht besonders gut auf meine Familie zu sprechen«, sagte er, und ich hatte plötzlich furchtbare Angst, dass er sein Angebot zurücknehmen könnte, nur weil ich mit Tante Charlene verwandt war.
»Sie ist auf niemanden gut zu sprechen«, erwiderte ich schnell.
»Mein Onkel ist vor einem Jahr im Irak gefallen und seitdem geht es ihr nicht so gut.«
Thunderhawk nickte. »Ja, ich weiÃ. Wenn sie etwas freundlicher zu anderen wäre, würde es ihr vielleicht besser gehen.«
Mein Vater kam und holte mich. Er wechselte ein paar Worte mit Tom Thunderhawk und dabei stellte sich heraus, dass Tom ein Stück Land pachten wollte, das meinem Vater gehörte und das an sein eigenes Land grenzte.
»Dann hätten die Pferde einen gröÃeren Auslauf«, sagte er.
Aber Dad wollte nicht verpachten, was mich wunderte, wo wir doch jeden Dollar gut gebrauchen konnten.
»Das Land gehört mir, aber es ist nicht mein Besitz«, sagte mein Vater, »und ich achte es zu sehr, als dass ich daraus Gewinn schlagen könnte.«
Thunderhawk nickte. »Das verstehe ich und ich hätte da einen Vorschlag.«
SchlieÃlich einigten sie sich darauf, dass Toms Pferde auf unserem Land grasen durften und ich dafür bei ihm Reiten lernen würde. Ich konnte kommen, sooft ich wollte. Mit diesem Angebot war ich mehr als zufrieden, und Tom war es auch. Freudestrahlend umarmte ich meinen Vater.
Wieder zu Hause, lief ich gleich zu Adena und erzählte ihr, dass ich reiten lernen würde. Ich tat mein Bestes, um die Euphorie zu verbergen, die sich meiner bemächtigt hatte. Aber Adena merkte natürlich, wie es um mich bestellt war.
»Du hast bloà Pferde im Kopf«, sagte sie und verdrehte die Augen.
»Und du Jungs«, gab ich zurück.
»Weil ich kein Kind mehr bin«, bemerkte sie schnippisch.
Ich wollte auch kein Kind mehr sein, aber ich sah immer noch aus wie eins. Da war nichts zu machen.
Der Sommer zog ins Land. Er roch nach Salbei, der an manchen Stellen so dicht wuchs, dass die Prärie wie ein silbern schimmerndes Meer aussah. Die Ferien begannen Anfang Juni und ich fieberte meiner ersten Reitstunde entgegen. Alles war abgesprochen. Dad würde mich zu Tom bringen, hatte verschiedene Dinge in Manderson zu erledigen und wollte mich dann wieder abholen.
Er setzte mich gleich an der StraÃe ab, an der Einfahrt zu den Häusern von Tante Charlene und Tom Thunderhawk. Als ich zur Scheune kam, wartete Tom schon auf mich. Er hatte Psitó, eine brave alte Stute für mich ausgesucht, eine von den braun gefleckten, die kein Fohlen hatte. Psitó bedeutet Perle und die Stute machte ihrem Namen alle Ehre. Dass sie mich kannte, mit meiner Stimme und meinem Geruch vertraut war, erwies sich als groÃer Vorteil.
»Sitz gerade und bleib locker«, sagte Tom, als ich auf Psitós Rücken im Sattel saÃ. Er stellte die Steigbügel nach der Länge meiner Beine ein, und als ich ihm zunickte, schnalzte er mit der Zunge und sagte: »Hoka hey,auf gehtâs!«
Nun saà ich zwar nicht zum ersten Mal auf einem Pferderücken, aber das letzte Mal war lange her. Ich musste mich erst wieder an das Gefühl gewöhnen, von einem Tier getragen zu werden, das so viel gröÃer war als ich.
Ich lehnte mich leicht nach vorn. Der riesige Pferdekörper schaukelte unter mir, als Psitó sich in Bewegung setzte. Ich war ein Fliegengewicht und die Stute ganz andere Lasten gewohnt. Das verunsicherte sie für einen Augenblick, aber dann merkte sie, dass sie sich nach meinem Willen zu richten hatte.
»Versuche mit ihren Bewegungen mitzugehen, aber zeige ihr deutlich, wer das Sagen hat.« Tom führte die Stute im Kreis, beobachtete mich und gab mir Hinweise. Die meisten Dinge musste er mir nur einmal sagen, denn meine Bewegungen glichen sich ganz von selbst denen der braunen Stute an. Es war ein herrliches Gefühl.
Ich lernte, die Stute loslaufen zu lassen, sie zum Stehen zu bringen und die Richtung ändern zu lassen. Zuletzt zeigte mir Tom, wie ich sie durch leichten Schenkeldruck im Trab laufen lassen konnte. Psitó war gut ausgebildet, und weil ich ihr nichts durchgehen
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