Talitha Running Horse
half mein Vater Tom Thunderhawk bei Arbeiten in der Scheune oder an den Zäunen. Manchmal saÃen sie auch mit Della am warmen Holzofen in der Küche, tranken Kaffee, machten Pläne und redeten über alles Mögliche.
Ich sah Neil des Ãfteren neben der Scheune Holz für den Winter spalten und aufstapeln. Manchmal wechselten wir ein paar Worte, aber meist nickte er mir nur freundlich zu, und ich musste mich damit zufrieden geben. Von der tiefen Verbundenheit, die ich an jenem Tag in seinem Zimmer gespürt hatte, schien nichts geblieben zu sein.
Zu gerne hätte ich gewusst, was ihn bewegte. Ob er vielleicht deshalb so abweisend war, weil er sich für seine Tränen schämte?
Ende November fiel der erste Schnee, und jegliches Grün verschwand unter einer zehn Zentimeter dicken weiÃen Schicht. Stormy, die noch keinen Schnee erlebt hatte, war ganz aus dem Häuschen. Sie stupste ihre Nase neugierig in das kalte WeiÃ, und als die Kälte zubiss, schnaubte sie und schüttelte entrüstet den Kopf. Manchmal jagte sie den tanzenden Flocken nach und blies in den lockeren Schnee, dass es stiebte.
Noch wusste sie nicht, dass der Winter eine harte Zeit war für Menschen und Tiere im Reservat. Viele Lakota, die schon im Sommer Mühe hatten, ihre Familie zu ernähren, hatten im Winter meist kein Geld für Heizöl oder Propangas. Und wenn es den Menschen schlecht ging, ging es den Tieren noch schlechter. Diese bittere Erfahrung stand dem Fohlen erst noch bevor.
Aber Tom Thunderhawk liebte seine Tiere, und er sorgte auch für sie. Da Della einen festen Job am College hatte, konnte sie die Familie ernähren. Tom hatte vor, seine Pferdeherde nach und nach zu vergröÃern und durch Zucht Geld zu verdienen. Im nächsten Jahr wollte er dann auch regelmäÃig Reitstunden anbieten. In den Ferien sollte Neil ihm dabei helfen.
Das waren die Pläne, die für den nächsten Sommer geschmiedet wurden, während drauÃen dicke Schneewolken ihre Last abwarfen. Wenn es am Abend dunkel wurde, kamen die Pferde zur Scheune, wo Tom ihnen unter dem Dach einen Futterplatz eingerichtet hatte. Es war Neils Aufgabe, die Tiere zu füttern, und wenn ich da war, half ich ihm dabei. Wir hoben Heuballen in den Futterkasten, säuberten den Boden von Pferdemist, und ich genoss es, mit Neil zwischen den groÃen warmen Leibern der Pferde zu stehen, wenn sie fraÃen. Die Pferde schienen das Einzige zu sein, was uns noch verband.
Neil erzählte mir ganz beiläufig, dass er mit dem Leopardenschecken im nächsten Winter am Big-Foot-Ritt teilnehmen wollte. Natürlich hatte auch ich von diesem Ritt gehört. Er fand regelmäÃig im Dezember statt, um die in Wounded Knee ermordeten Vorfahren zu ehren. Männer, Frauen und von Jahr zu Jahr mehr Jugendliche und Kinder aus allen Lakota-Reservaten ritten mit ihren Pferden von Standing Rock, wo Sitting Bull ermordet worden war, durch das angrenzende Cheyenne-River-Reservat bis nach Pine Ridge, wo der Ritt am 29. Dezember endete, dem Tag des Massakers am Wounded Knee Creek.
Sie ritten denselben Weg â fast 200 Meilen â den damals die Leute von Sitting Bull und Häuptling Big Foot gegangen waren, als sie vor der US-Armee zu fliehen versuchten. Auf diese Weise wollten die Reiter den Geistern ihrer Ahnen Respekt zollen und die Tränen der Trauernden trocknen.
Ich hatte die Berichterstattung über den Ritt immer zusammen mit meinem Vater im Radio verfolgt, und seit ich richtig reiten konnte, wuchs in mir der Wunsch, eines Tages an diesem Gedenkritt teilzunehmen. Ich wollte den Weg gehen, den meine GroÃmutter Helen Yellow Bird mit ihren Eltern gegangen war, in diesem unheilvollen Dezember des Jahres 1890.
Der Winter, der dann folgte, war noch härter als der vorangegangene. Im Dezember fiel kein Schnee mehr und im Januar auch nicht. Arktischer Wind fegte über die Prärie.
Ihr dichtes Winterfell schützte die Pferde vor Wind und Wetter. Die kleine Herde von Tom Thunderhawk blieb auch in den Wintermonaten tagsüber in den Hügeln, wo die Tiere hier und da ein Fleckchen Grün fanden oder ein paar Zweige, an denen sie knabbern konnten. Aber jeden Abend kamen sie zum Futterplatz neben der Scheune, wo Neil ihnen Heu gab und manchmal Kartoffelschalen und andere Gemüsereste, wenn welche da waren.
In dieser Zeit gab es kaum Jobs für meinen Vater, weil niemand Geld hatte, um seine Arbeit zu bezahlen. So
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