Talitha Running Horse
braucht eine kleine Pause«, sagte ich, von Eifersucht geplagt, und wunderte mich, wie selbstsicher meine Stimme klang.
Das Gewitter hatte sich zwar verzogen, aber die Luft war schwül und drückend und Psitós Flanken schweiÃnass. Neil sah es und zuckte bedauernd die Achseln. Ich befreite die Stute vom Sattel und legte ihn über den Zaunbalken. Dann nahm ich ihr das Zaumzeug ab und rieb mit einem alten Handtuch die schweiÃigen Stellen trocken, die die Lederriemen an ihrem Kopf hinterlassen hatten.
Neil und Suzy unterhielten sich leise, sodass ich nur Wortfetzen aufschnappen konnte.»⦠hat ja ewig gedauert«, hörte ich Suzy sagen. »⦠reitet immer so lange aus«, erwiderte Neil.
Ich gab Stormy einen Kuss auf die Nase und verabschiedete mich von Psitó.
»Tóksâ«,sagte ich zu Neil und Suzy, dann trottete ich den Fahrweg hinüber zu Tante Charlenes Haus.
Marlin war da und spielte mit den Hunden. Er grinste boshaft, als ich an ihm vorbeiging. »Na«, sagte er, »Neil macht sich offensichtlich nichts aus dir. Er steht auf Suzy. Die ist zwar blöd, aber wenigstens ein Vollblut. Und einen ordentlichen Busen hat sie auch.«
Vielleicht hatte sich Marlins Aussehen geändert, aber er war noch derselbe. Ich ging schnell weiter, damit er nicht sah, dass mir die Tränen kamen.
Dad hatte schon auf mich gewartet. Wir stiegen in unseren Pick-up, und er startete den Motor. Wie immer, wenn mich etwas bedrückte, spürte er es sofort.
»Was ist los, Braveheart?«, fragte er. »Möchtest du darüber reden?« Ich schüttelte den Kopf.
»Hat Marlin wieder etwas Gemeines zu dir gesagt?«
»Nur das Ãbliche«, antwortete ich.
Kaum waren wir auf der StraÃe, fing es an zu tröpfeln und ein heftiger Gewitterguss ging nieder. Wir waren nicht mehr weit von Porcupine entfernt, da sah ich eine schwarze Rauchwolke hinter dem Hügel aufsteigen, genau dort, wo unser Trailer und der der White Elks standen. Dad trat aufs Gas. Ich wusste, was er befürchtete, aber es schien mir so absurd, dass sich alles in mir dagegen sperrte.
Der Regen hatte aufgehört, als wir das erreichten, was von unserem Zuhause übrig geblieben war. Der alte Trailer war niedergebrannt bis auf die groÃen Hohlblocksteine, auf denen er gestanden hatte. In der Mitte ragte der gusseiserne Ofen zwischen den verkohlten Ãberresten hervor.
Es musste ganz schnell gegangen sein. Ein paar Leute standen herum, unter ihnen Charlie und Nellie White Elk, die als Erste versucht hatten, das Feuer zu löschen. Jason, der von oben bis unten mit Ruà verschmiert war, heulte. Adena kam auf mich zu, blieb jedoch einen Meter vor mir stehen, als wäre meine Verzweiflung eine unsichtbare Mauer, die mich abschirmte. Auch sie hatte Ruà im Gesicht, und auch sie hatte geweint.
Charlie und Nellie kamen zu uns herüber. Adenas Mutter scherte sich nicht um unsichtbare Mauern, sie nahm mich in die Arme â aber ich sperrte mich. Ich war wie erstarrt. Was ich sah, wollte ich einfach nicht wahrhaben. Das musste ein böser Traum sein, aus dem ich gleich erwachen würde.
Aber der durchdringende Gestank nach verbranntem Plasik belehrte mich eines Besseren.
Wir hatten alles verloren. Alles.
Warum muss ausgerechnet uns das passieren, dachte ich. Warum? Ich spürte ein Brennen in meiner Kehle, aber es kamen keine Tränen.
Ich konnte nicht weinen.
»Miss Lilly«, flüsterte ich. Als wir losgefahren waren, hatten wir unsere Katze mit ihren drei neugeborenen Katzenbabys im Trailer zurückgelassen. Waren sie alle jämmerlich verbrannt? Wakan Tanka, fragte ich, warum hast du das zugelassen?
Ich sah meinen Vater, der weitergelaufen war und nun reglos vor den schwelenden Ãberresten unseres Trailers stand. Ich ging zu ihm und schob meine Hand in seine. Als er sie umfasste und fest drückte, merkte ich, dass er zitterte. Und dann sah ich, dass er weinte. Ich hatte meinen Vater noch nie weinen sehen. Die Angst legte sich wie eine Schlinge um meinen Hals und drückte mir die Kehle zu.
Dad kniete nieder und umarmte mich fest. Diese Umarmungen meines Vaters waren für mich die Rettung aus jeder noch so schlimmen Situation gewesen. In seinen starken Armen hatte ich mich immer sicher und geborgen gefühlt. Aber diesmal, das spürte ich, hielt er sich an mir fest. Mein Vater, der mich gelehrt hatte niemals aufzugeben, wusste nicht mehr weiter.
»Dad«,
Weitere Kostenlose Bücher