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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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auch gehen würden.
    So lernte ich eine Menge über das Küssen, natürlich rein theoretisch. Zum Beispiel, dass man dabei die Lippen öffnen und die Zunge des Jungen in seinem Mund dulden musste.
    Â»Und das soll schön sein?« Ich zog eine Grimasse.
    Adena lachte. »Ja, Tally. Und ob du es glaubst oder nicht: Randee kann das ziemlich gut, und es macht richtigen Spaß.«
    In diesem Jahr roch der Sommer nach Steinklee. Im April und Mai hatte es viel geregnet, sodass die Prärie jetzt in den schönsten Farben erblühte. Sogar in den Badlands grünte es. Der gelbe Steinklee wuchs überall.
    An einem Nachmittag im Juni fand ich die Pferde nicht, als ich in den Hügeln nach ihnen suchte. Sie kamen auch nicht, als ich sie rief. Wahrscheinlich waren sie auf der Suche nach süßem Steinklee so weit in ein Tal hineingelaufen, dass sie mich nicht hören konnten. Ich ging ihren Spuren nach, rannte in die Berge hinein, immer weiter nach oben, in der Hoffnung, sie irgendwo grasen zu sehen.
    Auf der Spitze des höchsten Berges angekommen, war ich ziemlich außer Atem und ließ mich ins Gras fallen. Von hier oben hatte ich einen guten Blick ins Tal. Ich befand mich unweit der Stelle, an der ich vor einem Jahr mit Neil gestanden hatte, als wir zusammen ausgeritten waren.
    Ich sah Tante Charlenes hellblaues Haus, halb verdeckt vom dichten Laub zweier Pappeln. Ein paar hundert Meter davon entfernt das rote Haus der Thunderhawks mit der Scheune nebenan. Bey und April, Neils Schwestern, spielten mit ihren Puppen auf der Wiese.
    Ich sah die Straße, die sich wie ein graues Band durch das grüne Tal zog und die Orte Wounded Knee und Manderson miteinander verband. Auch auf der anderen Seite der Fahrbahn standen einzelne Häuser.
    Ein gelber Thunderbird kam aus Richtung Manderson die Straße entlang, mit offenen Fenstern und so laut aufgedrehter Musik, dass ich die donnernden Bässe bis hier oben hörte.
    Der Wagen hielt am Abzweig und Marlin stieg aus. Ich erkannte ihn an der Farbe seiner Kleidung: Rot und Schwarz. Er beugte sich noch einmal zum Fahrer hinein, dann fuhr der Thunderbird weiter und Marlin lief nach Hause. Ich sah, dass er rauchte. Ob Tante Charlene das wusste? Wahrscheinlich ja, aber offenbar konnte sie nichts dagegen tun. Marlin machte nie, was seine Mutter sagte.
    Ein anderer Wagen kam aus Richtung Wounded Knee und fuhr bis vor das rote Haus. Zuerst konnte ich nicht sehen, wer ausstieg, weil mir durch das Haus der Blick versperrt war. Aber kurz darauf erschienen Neil und Suzy Eagle Bear. Sie liefen hinüber zur Scheune.
    Ich fragte mich, ob Neil Suzy auch beibringen würde, ohne Sattel zu reiten, so, wie er es mit mir getan hatte. Eine Welle der Eifersucht überschwemmte mich. Ich legte mich ins Gras und schloss die Augen, um das Bild von Neil und Suzy auszuschließen. Es brannte hinter meinen Lidern, und das kam nicht nur von der Sonne.
    Ein leises Schnauben riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich öffnete die Augen und sah Stormys große gesprenkelte Nüstern über mir. Die Stute pustete mir zärtlich ins Gesicht und kitzelte mich mit ihren Tasthaaren. Das war ihre Begrüßung. Sie hatte mich gefunden; sie fand mich immer.
    Â»Hallo Stormy!«, sagte ich leise und richtete mich auf, um ihre weiche Nase zu streicheln. Das mochte sie. Ihr Atem roch süß nach frischem Grün. Die schwarze Mähne fiel ihr zwischen den Augen herab. Wulstige Hornhaut hatte sich dort gebildet, wo sie im vergangenen Jahr so schlimm verletzt worden war. Sie mochte an dieser Stelle nicht berührt werden, nur ich allein durfte es. Es würde schwierig werden, die Stute an einen Sattel zu gewöhnen, aber ich hoffte, dass sie mich im nächsten Sommer auf ihrem Rücken dulden würde.
    Ich holte meinen Zeichenblock hervor, suchte in der Ledermappe nach einem geeigneten Bleistift und begann Stormy zu zeichnen. Ich hatte sie schon so oft gezeichnet, dass ich gar nicht mehr hinsehen musste und doch jeden Fleck ihrer schönen Fellzeichnung an die richtige Stelle setzte.
    Nach einer Weile kamen auch die anderen Pferde. Ich zeichnete Stormy, wie sie mit den beiden Fohlen herumtollte, und brauchte dafür nur wenige Striche. Dabei fiel mir auf, wie ungestüm sie war und doch zärtlich. Wenn es ihr in den Sinn kam, trabte sie heran, zupfte an meinem Zopf und knabberte an den weißen Seiten, die ich auf den Knien hatte.
    Die beiden Fohlen folgten

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