Talitha Running Horse
sagte ich, »wir schaffen das. Wir beide schaffen es.« Das sagte ich, weil ich nicht ertragen konnte, ihn so verzweifelt zu sehen. Aber auch in mir zerbrach etwas. Es waren meine Träume. Sie machten sich davon, und ich hatte nicht die Kraft sie aufzuhalten. Ich sah die schwarzen Ãberreste unserer Habe und ahnte, dass von nun an in meinem Leben kein Platz mehr für Träume sein würde.
Von überall her redeten aufgeregte Stimmen auf uns ein. Leute, die das Feuer gesehen hatten und gekommen waren, um zu helfen.
Nellie White Elk berührte meinen Vater am Arm. »Natürlich könnt ihr erst einmal bei uns wohnen, Richard«, sagte sie. »Viel Platz ist nicht, aber eine Schlafgelegenheit haben wir für euch. Tally kann ja mit in Adenas Zimmer schlafen.«
»Danke Nellie«, sagte mein Vater, »das ist wirklich lieb von euch. Aber die Frau meines Bruders hat ein groÃes Haus. Wir werden für eine Weile bei ihr unterkommen.«
Ich schrak zusammen, als er das sagte. Tante Charlene. Wir sollten bei Tante Charlene wohnen? Jeden Tag Marlins überhebliches Gesicht sehen, seinen Spott und seine Boshaftigkeiten ertragen â das würde ich nicht schaffen.
»Dad«, sagte ich und mein Herz hämmerte. »Ich kann nicht bei Tante Charlene wohnen.«
Mein Vater strich mir über den Kopf. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, Tally. In Charlenes Haus ist Platz, und sie ist unsere Verwandte. Sie muss uns aufnehmen.«
Alles in mir wehrte sich dagegen, aber ich wusste, dass Dad Recht hatte. Ich musste mich in das Unvermeidliche fügen.
Charlie White Elk kam zu uns, von oben bis unten ruÃverschmiert. »Ein Blitz hat eingeschlagen«, sagte er. »Nellie und ich sind gleich losgerannt und haben versucht noch was zu retten, aber es ging alles ganz schnell.«
»Miss Lilly«, flüsterte ich wieder. Meine Katze und ihre winzigen Kleinen waren jämmerlich verbrannt. Genauso wie die Fotos von meiner Mutter und meinem GroÃvater Emmet. Dads kostbare Powwow-Tanzkleidung mit dem Rückenschmuck aus Adlerfedern. Alles verbrannt. Meine Zeichnungen und meine Bücher. Unsere Kleider, die Möbel, alles. Auch Adenas wunderschöner Traumfänger und das Geld, das ich gespart hatte, um Stormy zu kaufen. 65 Dollar. Ein unermessliches Vermögen für jemanden wie mich.
Mein Zuhause, meine Träume, mein ganzes Leben hatte sich in schwarze, stinkende Rauchschwaden aufgelöst.
Adenas Mutter hatte die Feuerwehr alarmiert, aber als sie nun eintraf, gab es nichts mehr zu tun für die Feuerwehrmänner. Sie sahen müde aus, waren nass und ruÃverschmiert. Es hatte mehrere Brände gegeben im Reservat. Sie löschten die noch schwelenden Stellen, damit das Feuer sich nicht neu entfachen und auf das Gras übergreifen konnte.
Dad stieg durch die Ãberreste unseres Trailers, in der Hoffnung, vielleicht doch noch dies oder das zu finden, aber das Feuer hatte nichts verschont. Teller und Tassen waren in der Hitze zersprungen. Einzig ein paar Töpfe und die gusseiserne Pfanne waren noch zu gebrauchen, wenn es gelang, sie vom Ruà zu reinigen.
Adena stand auf einmal hinter mir und berührte mich am Arm. »Was wird denn jetzt aus euch, Tally?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Wir werden bei meiner Tante wohnen«, sagte ich.
Adenas Augen wurden immer gröÃer. »Aber dann musst du ja in eine andere Schule gehen und wir können uns nicht mehr sehen.«
»Nicht jeden Tag«, erwiderte ich. »Aber ich werde kommen und dich besuchen, Adena. Genauso, wie ich Stormy besucht habe.«
»Ich werde dich auch besuchen«, sagte sie und Tränen liefen über ihre Wangen.
Als wir wieder in den Pick-up stiegen, um zurück zu Tante Charlene zu fahren, hörte ich ein klägliches Maunzen aus dem kleinen Bretterverschlag, den Dad für Stormy gebaut hatte. »Miss Lilly«, rief ich und rannte zum Stall. Da war sie, meine einohrige Katze und die drei Kleinen hingen an ihren Zitzen. Irgendwie war sie aus dem Trailer entkommen und hatte ihren Nachwuchs in Sicherheit gebracht, bevor alles in Flammen aufgegangen war. Wahrscheinlich hatte ich in meinem Zimmer das Fenster offen gelassen. Die Kätzchen maunzten, als ich sie hochnahm und an meine Brust drückte.
Adena lief nach Hause und holte einen alten Karton, in den wir die Kleinen setzten. Dad reichte mir Miss Lilly in den Pick-up, dann verlieÃen wir den Ort, der
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