Talivan (German Edition)
schraubte sich schließlich mit ungeschickt wirkenden B e wegungen in die Luft, doch landete sie diesmal nicht auf Alanas Kopf, sondern stieg weiter auf, immer höher.
‚Nun, wo es ernst wird, lässt du mich im Stich’, dachte A lana. Doch wusste sie zu gut, dass sie selber nicht anders hätte handeln können, und wünschte dem Vogel still ein wenig Glück für den wahrscheinlich nur noch kurzen Rest seines Lebens. Dann wandte sie sich wieder dem Zauberer zu.
„Und wenn Ihr einfach erklären würdet, mich getötet zu haben, und mich weiterziehen ließet?“, bat sie. „Ich schw ö re Euch, nie würde ich verraten …“
„Nein.“ Ein einfaches Wort, das das Schicksal der Frau so endgültig besiegelte.
„Es wird mir ein Vergnügen sein“, fuhr der Magier mit kaltem Lächeln fort, „dir zu zeigen, was es heißt, einen Zauberkundigen zu bestehlen. Du wirst noch um den Tod wi n seln …“
Zu einem letzten Abschied ging Alanas Blick nach oben. Der Zauberer las das Erschrecken in ihren Zügen und sah ebe n falls kurz gen Himmel.
„Der einzige Freund, der dir noch geblieben ist, nicht wahr? Nun – bedauere ihn nicht zu sehr; er wird einen leichteren Tod haben als du. In seinem Alter kann eben j e der Flug der letzte sein.“
Die Rabenkrähe stürzte trudelnd herab; zu groß war die Höhe, die sie zuvor schon gewonnen hatte, als dass sie den Aufprall überleben konnte.
Alana merkte nicht, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Hätte sie den Vogel doch nur früher a b gesetzt, so wäre es ihm erspart geblieben, sich aus Angst eine solche A n strengung zuzumuten, die er nicht mehr verkraften konnte. Als sie sich wieder dem Zauberer zuwandte, hatte dieser schon seine Hände erhoben und murmelte wenige Silben. Wie vom Blitz getroffen, wurde sie vom Pferd geschle u dert und einige Meter entfernt zu Boden geworfen. Ihre Haut schien zu glühen, und einzelne Haare verglommen. Durch einen Schleier aus Tränen hindurch sah sie den Magier zur nächsten Bewegung ansetzen und versuchte mit letzter Kraft au f zustehen. Geradewegs aus der im Mittag stehenden Sonne heraus schoss die Krähe weiter gen Boden. Schnell wie ein fallender Stein, doch nun nicht mehr trudelnd raste sie auf den Magier zu. In unnatü r licher Langsamkeit sah Alana, wie dieser erneut die Hände hob und sein Mund sich öffn e te, um die Silben zu formen, die sie wieder und wieder quälen würden, bis zu ihrem unau s weichlichen Tode. Und sie sah die Rabe n krähe, die sich nur noch wenige Meter über dem Zauberer befand und ein letztes Mal schrie, bevor sich ihr Schnabel wieder schloss und an seinem erstaunt nach oben gewandten Gesicht vorbei in seine Kehle bohrte.
Statt eines Zauberspruches gab der Magier nur noch ein Röcheln von sich, und seine bloßen Handbewegungen bli e ben ohne Wirkung auf Alana. Dennoch wartete sie, bis der Mann sich nicht mehr bewegen konnte, ehe sie lan g sam, mit noch unsicheren Schritten, nähertrat und schlie ß lich den Schnabel der Krähe vorsichtig aus dem Hals des Za u berers befreite. Nun, da es wieder ein Morgen für sie gab, blieb ihr noch viel zu tun.
Nun war sie wieder allein, dachte sie, während sie das kle i ne, aber tiefe Grab zuschüttete und die Erde zum Schutz vor den Aasfressern feststampfte. Niemand mehr, auf den sie Rüc k sicht nehmen musste, während sie weiter auf dem Pferd, auf das nun kein anderer mehr Anspruch e r heben konnte, gen Norden reiten würde. Das Schicksal hatte sich ihr gnädig gezeigt, und die Rabenkrähe hätte sowi e so nur noch kurze Zeit zu leben gehabt. Nur kurz blieb sie noch vor dem Grab stehen.
„Oh verdammt“, murmelte sie, während sie sich a b wandte, „ich werde doch wegen solch einem blöden Viech nicht heulen wie ein altes Weib!“ Und doch war es nicht wahr.
In den Straßen Alkyons
„Ist das dein letztes Wort?“
Daron nickte. „Ich werde Euch nicht alleine gehen lassen. Ihr wisst genau, dass es viel zu gefährlich wäre.“
„Dann such dir einen anderen Herrn!“, fauchte Marviolo con Fren und ließ seinen Leibwächter stehen.
Daron schnaubte leise. Er hatte kein gutes Gefühl bei diesem Treffen, zu dem der Kaufmann unbedingt alleine gehen wollte. Eine Weibe r geschichte sicher, wie immer, seit Marviolo seine Gattin Elysada mit der neugeborenen Tochter aus dem Haus gejagt hatte, da das Kind ihm ange b lich nicht ähnlich sah. Er hatte einmal im Suff geprahlt, er habe der Ehebrecherin nur das Geschmeide gelassen, das sie g e
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