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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Tillmanns
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selte nun so rasch, dass die Elfe den Veränderungen kaum fo l gen konnte.
    „Der Wald“, fuhr die Alte fort, „beherbergt mannigfaltige Vögel, den Fuchs und das Wildschwein wie auch das scheue Reh. Käfern und Würmern ist er gleichermaßen L e bensraum. Nichts Geheimnisvolles verbirgt sich zwischen den Bäumen oder im Unterholz, wie auch die Wiesen der Gefahr keinen Unterschlupf bieten. Schließlich der See, an dessen Ufern so viele Pflanzen wachsen, wie es einem gut gehüteten See geziemt, und in dem sich u n zählige Fische tummeln. Das klare Nass lässt U n erwartetem keinen Platz, und keine bösen Träume nehmen dem Wasser die Luft zum Atmen, da eine kluge und u m sichtige Elfe für diesen See sorgt.“
    „Oh ja, so ist es“, warf die Elfe eifrig ein. „Doch ist dies noch keine Geschichte …“
    „Gedulde dich“, beruhigte sie die Legendenweberin. „Jede Geschichte muss irgendwo beginnen, wie sie auch irgen d wann enden muss, und dies ist gewiss ein guter Anfang, denkst du nicht? – Eines Tages“, fuhr sie fort, „begab es sich vielleicht, dass ein Ungeheuer diesen See erreichte, der von seiner Elfe stets so gut behütet worden war. – Woher mag es gekommen sein? Weit entfernt muss seine Heimat liegen, denn rings um den See, den Wald, die Wiesen und das Dorf gibt es keinen Raum für Ungeheuer. – Wie also erreichte das Untier den See? Durch die Luft; anders hätte der Jäger es g e tötet, oder die Bauern hätten es von ihren Feldern zu vertreiben gesucht. Niemals hätte es den See auf einem anderen Weg ungesehen erreichen können. – Du siehst“, sagte die Alte und hielt das Schiffchen einen M o ment lang an, „dies ist die Art, wie Legenden aus einem Anfang entstehen.“
    Die Elfe neigte leicht den Kopf. Als sie aufsah, waren die flinken Hände der Weberin bereits wieder b e schäftigt, wuchs die Webarbeit weiter an.
    „Nun also“, fuhr die alte Frau fort, „gelangt das U n geheuer zu diesem See, du kannst es gewiss in der Luft über den Bäumen sehen, wie die riesigen Schwingen und wohl auch ein Hauch von Magie das Tier am Himmel halten – doch was ist es? Ein Drache? Nein, kein Drache würde die Tie f lande aufsuchen; vom flachen Boden könnte er nicht wieder aufsteigen, da er zum Starten eine Klippe b e nötigt, von der er sich fallen lassen kann. Vielleicht ist dieses U n geheuer ein Ding, das keinen Namen trägt, ein reines Za u berwesen – was denkst du, kleine Elfe?“
    Die Elfe nickte rasch, gespannt auf den Fortgang der G e schichte.
    „Ein Zauberwesen also und damit gewiss unverwundbar durch Messer oder Pfeile“, murmelte die Legendenweberin, „wie du deutlich an den festen Schuppen erkennen kannst, die den Körper des Untiers bedecken. Diese Schuppen sind nicht blank wie Kiesel, die das Wasser in Jahrhunderten poliert hat, vielmehr scheinen sie rau und stumpf. Und schwarz, ja, schwarz scheint mir die angemessene Farbe für ein Ungeheuer wie dieses. Doch sind seine Schuppen, die kein Fleckchen ungeschützter Haut dazwischen erkennen lassen, nicht einfach schwarz wie jener Stein dort oder ein verbrannter Baum. Vielmehr gleichen sie der Farbe einer Nacht, der man alle Sterne genommen hat; jegliches Licht verliert sich in diesem Schwarz. Seine Augen jedoch … oh ja, seine Augen leuchten heller als das heißeste Feuer, und alles, was das Untier mit diesen Augen anblickt, ve r brennt im gleichen Moment zu Asche. Vielleicht will das U n geheuer nicht töten, vielleicht kann es nur seine Macht nicht zügeln; vielleicht, doch wer weiß das schon, möchte es gar b e siegt werden, um nicht immer weiter töten zu müssen. – In diesem Moment jedoch, kleine Elfe, ist die Luft über deinem See schwarz von Rauch, der aufsteigt von versen g ten Pflanzen und schwelendem Gras, und da deine Nase so viel empfindlicher ist als die der Menschen, riechst du ebenso die verbrannten Insekten, die arglos deinen See umtaumelten. Vielleicht auch ein Kaninchen, das sich im Angesicht der Gefahr ins Gras geduckt hatte, anstatt zu fli e hen, doch das musst du entscheiden, ist deine Nase doch weit empfindlicher als meine … Nun also, Elfe, was willst du tun, um deinen See zu retten?“
    Verwirrt sah die Elfe auf. Sie hatte nicht damit g e rechnet, selber einen Einfluss auf die Legende nehmen zu können, und so traf sie die Frage der alten Frau unvorbereitet. Sie rieb sich gedankenverloren die Augen, doch der wabernde Nebel, der mit einem Mal den See und alles Land ring s herum eingehüllt hatte,

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