Talivan (German Edition)
würdigen Dingen wie Einhornhaar oder Schlangenblut – bezi e hungsweise -haut – abzugeben.
„Selbstverständlich bin ich mir sicher! Hätte ich sonst das Zauberpatent dritten Grades?“ Er schwang seinen Zaube r stab in Richtung einer der Urkunden, die er an die Wände genagelt hatte. Dann verdrehte er mal wieder die Augen und ließ seinen Kopf theatralisch auf den Tisch fallen, g e nau zwischen das Zauberbuch und den Honigfleck vom Frühstück. Er hatte ja auch gut lachen – wenn man lesen konnte, war das alles natürlich kein Problem, aber mein Vater hatte mir nur Zahlen beigebracht.
„Schon gut, so wichtig wird das doch wohl nicht sein“, ve r suchte ich ihn zu beschwichtigen. Aber da hatte ich wohl genau das Falsche gesagt.
„Nicht so wichtig? Nicht so wichtig??? Jede einzelne Silbe ist wichtig!“ Der höchste Meister des mächtigen Dre i ecks sprang von seinem Stuhl und zupfte sich au f geregt am Bart. „Was glaubst du eigentlich, was dein Vater von dieser Ei n stellung hielte? Stell dir nur mal vor, ich ginge in seinen Laden und würde einen Schneckel zu wenig für meine W a ren zahlen wollen – denkst du wirklich, das fände er auch nicht so wichtig?“
„Ein Schneckel ist ja auch etwas ganz anderes“, wide r sprach ich. „Für drei Schneckel bekommst du bei me i nem Vater schon eine komplette kleine Schlange, dann hast du Blut und Haut und Augen und …“
„Kaufmannstöchter!“, stöhnte Prestidig und ließ sich wi e der auf seinen Stuhl fallen.
Mein Vater hatte mir erzählt, dass der höchste Meister des mächtigen Dreiecks früher Schauspieler gewesen sei. Ich war mir nicht sicher, in welchem der beiden B e rufe ich ihm weniger zutraute. Aber, wie mein Vater zu sagen pflegte: „Wer den Sanderl nicht ehrt, ist des Schneckels nicht wert.“ Und nur weil der Hauptpreis der großen Verlosung zum Frühlingsfest ausgerechnet in einem Zauber-Schnupperkurs beim einzigen ort s ansässigen Zauberer bestanden hatte, konnte ich diesen Hauptpreis ja schlecht ablehnen – ich hatte genau gesehen, wie Minna, die Tochter des Sattlers, dieses gierige Funkeln in den Augen bekam, als ich kurz zögerte. Und ich hatte es nun wirklich nicht zulassen können, dass ausgerechnet Minna etwas b e kam, was ich nicht hatte. Die war schon genauso arrogant wie ihr Vater.
Jedenfalls war ich fest entschlossen, am Ende der Au s bildungswoche das Schnupper-Zauberpatent in den Händen zu halten. Genau genommen war dies das Einzige, was zählte – wozu sollte ich zaubern lernen, wenn ich als ei n zige Tochter sowieso den Laden meines Vaters übe r nehmen würde? Zauberei war als Hobby in Ordnung, aber als Beruf nur etwas für Leute, die nichts anderes g e schafft hatten. Sagte zumindest mein Vater immer, und der musste es ja wissen.
„Wenn dir nicht wenigstens ein einziger Zauber gelingt“, unterbrach Prestidig meine Gedanken, „wirst du für diesen Schnupperkurs keinen Abschluss erhalten!“ Er blätterte in seinem Zauberbuch, bis ihm ein leises „Ah ja ..“ en t fuhr und er mit gerunzelter Stirn sorgfältig eine Seite ziemlich am Ende des Buches studierte.
„Dieser hier“, sagte der Zauberer schließlich und tippte mit dem Daumen auf die Seite, nachdem er das Buch mitten in den Milchfleck vom Vortag gelegt hatte. „Wenn du diesen Spruch hinbekommst, gebe ich dir auf der Stelle dein Kurs-Patent, und wir können auf die letzte Doppelstunde morgen verzichten – schließlich haben wir uns beide einen Tag U r laub verdient, findest du nicht?“
Also ich bestimmt. Er – nun ja, darüber ließ sich streiten. Eigentlich war ich ja der Meinung, dass wir schon längst viel weiter hätten sein können, wenn er nicht so ein schlechter Lehrer wäre.
„So, siehst du“, fuhr Prestidig eilig fort, „der Spruch hat nur zwei Zeilen: Schweinehaut bringt mit Gezisch … das Tier hierher auf diesen Tisch ! Die einzig nötige Zutat haben wir schon beim vorletzten Versuch in den Kessel g e geben, und ich brauche sowieso noch etwas zum Aben d essen.“ Er sah mich warnend an. „Und gib dir Mühe, nicht schon wieder etwas zu verwechseln – wenn du stattdessen Schweine blut sagst, kannst du gleich noch den Boden schrubben!“
Vorsichtshalber ging ich den Spruch mehrmals z u sammen mit dem Zauberer durch. Diesmal sollte endlich alles funktionieren! Außerdem wollte ich mir gar nicht genauer ausmalen, was ich im Zweifelsfalle vom Boden aufz u wischen hätte. Dann fasste ich den Zauberstab mit der Linken, ko n zentrierte
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