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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Tillmanns
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Frano die erste Ve r änderung in seinem Rücken spürte. Manchmal erhob sich die Baumelfe, kniete sich hinter ihn und entwirrte die Hau t stränge, die sich langsam mit Leben füllten. Er konnte ihre Hände spüren, die sanft über seine e r wachenden Flügel strichen.
    „Es wird lange dauern, bis du sie wirklich benutzen kannst“, sagte sie. Aber das störte Frano nicht. Er hatte noch ein Leben lang Zeit, sich an seine Flügel zu g e wöhnen.
     
     
     
    Wenn die Eiswölfe singen
     
    Einhundert Mann. Langsam schüttelte Malina den Kopf. Einhundert Mann gegen rund zwei Dutzend, wenn sie sich selbst mitzählte, und niemand sonst zwischen den Fremden, die trotz des ungewohnten Schnees und Eises unbeirrt vo r wärtsdrängten, und Malinas Dorf.
    Nur wenige Krieger hatte der Fürst aus dem Tal im Norden ihnen zu Hilfe schicken können, zu viele waren bereits in anderen Schlachten gefallen, hatten die Grenzen b e freundeter Grafschaften nicht gegen die Feinde halten können, die ihnen stets an Zahl weit überlegen gewesen waren. Und Malina – sie hatte gehofft, ihrer Lehrmeisterin eine würdige Nachfolgerin sein zu können. Doch Varsa war zu früh g e storben, um all ihr Wissen weitergeben zu können, und zu weit entfernt die nächste Stadt, in der Malina eine andere Hexe als Lehrerin hätte finden können. Das Wenige, was sie von Varsa gelernt oder sich selbst a n geeignet hatte, mochte ausreichend sein, ihren Nachbarn eine gute Heilerin zu sein und sich als Weissagerin ihr Brot zu verdienen. Nun jedoch nutzten ihr Heilkunde und Illusionen wenig. Sie w ä re nicht einmal imstande, den Fremden eine große Armee statt des jämmerlichen Haufens vorzugaukeln, der den Eindringlingen in Wahrheit en t gegenstand – und die Wu n den des Kampfes zu heilen, würde ihr keine Zeit bleiben.
    Die Männer sprachen nicht, als der Kundschafter ve r stummt war und sein noch rascher Atem vom Wind ze r rissen wurde. Einhundert Mann dachte wohl ein jeder von i h nen, schwer gestützt auf die furchigen Schwerter, die die durchfrorenen Hände mit Mühe nur halten konnten. Ei n hundert Mann gegen ein gutes Dutzend unerfahrener Soldaten, einige Söldner und eine Han d voll Männer aus dem nächsten Dorf, die bis zu diesem Moment gehofft hatten. Und Malina, von den Jungen als Hexe g e fürchtet, von den Männern aus ihrem Dorf und den Söldnern als lästiges A n hängsel im Stillen verspottet und sich lange schon nicht mehr sicher, was sie in diesem Krieg, den sie am liebsten weit hinter sich g e lassen hätte, ausrichten sollte.
    Wortlos sah der Anführer sie an, bis sie den Blick senkte und noch einmal langsam den Kopf schüttelte, mit g e schlossenen Augen schließlich tief atmete und sich a b wandte, ein paar Meter weit auf die Berge zuging, die das benachbarte Köni g reich von der frostigen Hochebene trennten, die Malinas Heimat war.
    Wer den ersten Schritt zurück tat, hätte wohl niemand zu sagen gewusst. Langsam, ohne die anderen anz u sehen, schien jeder gleichzeitig den Gedanken an einen Rückzug erwogen zu haben. Obgleich ihr Stolz den Männern zu fli e hen verbot, wussten sie doch, dass jeder weitere Meter den unvermei d lichen Tod um einen Moment hinauszögern würde, jeder kleine Hügel zwischen ihnen und dem Feind hieße ein wenig länger zu leben, und weshalb auch nicht, mehr als eine Tage s reise lag das nächste Dorf entfernt, die fremde Armee würde sie lange vorher erreicht haben.
    Als Malina ihnen endlich langsam folgte, hielt sie ihren Blick starr auf den gefrorenen Boden gerichtet. ‚Die Kälte’, dachte sie, ‚die Fremden aus den flachen Landen sind die Kälte nicht gewohnt, haben wohl noch nie zuvor Schnee und Eis gesehen, vielleicht …’ – und doch schritten sie st e tig voran. Zudem hätte die junge Hexe nicht gewusst, wie sie die näherrückenden Männer so lange hätte au f halten sollen, dass die Witterung ihnen ausreichend z u gesetzt hä t te. Nein, die Kälte war nicht Grund genug für die Fremden, die Hoc h ebene zwischen den Bergen in Frieden zu lassen. Und einen anderen Grund gab es nicht – der karge Boden trug stets genug Früchte, um die Menschen in Malinas Dorf und den anderen Weilern und Ortschaften zu ernähren. Verei n zelte Händler, die den Weg in die Berge fanden, tauschten gerne Webereien und andere Han d arbeiten gegen Wein und Früchte aus den wärmeren G e bieten. Kein Rau b tier lebte hier, das die feindliche Armee in die Flucht hätte schlagen können, zu wenig Nahrung hätte es

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