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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Tillmanns
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heimzubringen. Ohne jeden W i derspruch führten die Untergebenen diesen Befehl aus. Dem Herrscher, der vom oberen Rand des Steilhanges int e ressiert zusah, schienen nach einiger Zeit Zweifel an dem Gelingen des Vorhabens zu kommen, was der Dichter jedoch noch zur rechten Zeit sah. Sicherlich, erklärte er, se i en die Soldaten so begeistert von der unbekannten Zeit, dass sie gerne noch eine Weile verblieben, was natürlich hier in Anoret durch die bloße Anwesenheit des Königs h a be vermieden werden können. Der Herrscher zögerte nicht lange, bevor er den Hö f lingen befahl, den Soldaten auf gleichem Wege zu folgen und auf der Stelle mit wunde r vollem Wissen zurückzukehren.
    Diese zauderten schon länger als die Soldaten, ehe sie in die ungewisse, wenn auch verheißungsvolle Tiefe sprangen. Doch die Minuten verstrichen, und auch die Hö f linge kehrten nicht zurück. Als die Miene des Königs sich erneut zu umwölken begann, beeilte sich der Dichter zu mutm a ßen, dass wohl auch diese Männer den unbekannten Dingen in der fernen Zeit nicht gewachsen seien, schlie ß lich seien sie bekann t lich nicht so reich an Geiste wie der Herrscher. Dieser zögerte sehr lange, ehe er den woh l wollenden Vo r schlag des Dichters befolgte und seinen Männern nachfol g te.
    Es dauerte einige Tage, ehe man in der nördlichen Bucht die auf dem Wasser treibenden Männer des Königs sowie ihn selber, deutlich erkennbar an seinem purpurnen U m hang, entdeckte. Ein Arzt stellte, während er vorsichtig ü ber den Rand der Steilwand hinausblickte, eindeutig eine allgemeine geistige Umnachtung, vermutlich hervo r gerufen durch zu fettes Essen, als Ursache des Todes fest.
    Der Dichter lebte noch lange unbehelligt in Anoret und b e glückte die Menschen durch kleine Parabeln, die in seinen letzten Lebensjahren immer öfter von Lemmingen hande l ten.
     
     
     
    Im See
     
    Als sie noch ein Kind war, hatte Marjana in manchen Näc h ten geträumt, sie sei ein Fisch, der sich schillernd durch eine sanfte, stille Welt treiben ließ, jenseits der Zeit und bar jeder Angst. Wenn sie dann erwachte und en d lich den Weg in die Wohnstube fand, viel später als an den a n deren Morgen, schüttelte ihre Tante nur lächelnd den Kopf.
    „Du und deine Träume“, hörte Marjana dann die immer gleichen Worte, die nie einen Tadel enthielten, nur einen Hauch von Sorge. „Meine Schwester war genau wie du …“
    Stets schüttelte ihre Tante nach diesem halben Satz energisch den Kopf, wie um die noch ausstehenden Worte z u rückzuhalten, ehe sie ihrem Mund entweichen konnten, doch Marjana wusste auch so, was ihre Zie h mutter dachte. Wer die Augen zum Himmel hebt, sieht die Bärenfalle zu spät , pflegte ihre Tante manchmal zu sagen.
    Marjanas Mutter war so früh gestorben, dass das Mädchen nur wenige verschwommene Erinnerungen an sie besaß. Manchmal glaubte sie, sich an das Gesicht ihrer Mutter e r innern zu können; dann wieder war sie überzeugt, nur das leicht veränderte Bild ihrer Tante vor ihrem inneren Auge zu sehen.
    Sie hatte nie genau erfahren, wie ihre Mutter das Leben verloren hatte. An manchen Tagen hatte ihre Tante von e i nem schrecklichen Unglück gesprochen, an anderen den Tagträumen und romantischen Spinnereien ihrer Schwester die Schuld gegeben, dann wieder wie in plötzlichem Ve r stehen genickt und Marjana getröstet, ihre Mutter sei nun an dem einzigen Ort, an dem sie immer sein wollte.
    Das Mädchen wusste nur, dass seine Mutter am liebsten jede Minute am Ufer des großen Sees verbracht hatte, der zwischen den nördlichen Berghängen und dem großen Wald im Süden mitten im Tal vom Ouwe-Bach durc h flossen wurde. Doch das mochte nicht der einzige Grund sein, weshalb sie den name n losen See mehr liebte als den Wald. An manchen Tagen glaubte sie zu hören, wie der See sie rief, meinte spüren zu können, wie er sie zu sich lockte. Und manchmal fürchtete sie sich einen Moment lang vor der Stimme des Wassers, die Marjana so unwiderstehlich anzog. Dann wieder stand sie am Ufer des Sees, der frie d lich und schweigend vor ihr lag, und konnte den Anflug von Angst nicht mehr begreifen, auch wenn der See schließlich wieder in seinen leisen, unverständlichen Wo r ten zu ihr zu sprechen begann.
     
    Als Marjana älter wurde, kam für sie die Zeit, da sie lernen musste, in den Wäldern zu jagen. Vor langen Jahren, e r zählte ihre Tante, war es anders gewesen; damals hatten die Männer des Dorfes gejagt und die Frauen die Felder b

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