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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geht einfach –«
    Sie legte das Sandwich hin, um die Hände frei zu haben. »Er ist Frank Calabrese«, sagte sie und buchstabierte den Namen mit den Fingern. »Und er geht zurück nach New York. Und weißt du, was ich glaube?«
    Er hob die Augenbrauen, stützte sich auf beide Ellbogen und beugte sich so weit vor, daß ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren. Die Kellnerin – achtzehn, vielleicht neunzehn, aber so zierlich und mit einem so kindlichen Gesicht, daß sie eher wie zwölf wirkte – sah immer wieder nervös zu ihnen hin, und Dana fühlte sich abgelenkt. An der Wand war ein Fernseher aufgehängt, in dem sich irgendwelche Gespenster lautlos bewegten. Eine Welle der Depression schlug über ihr zusammen. Bridger gab die Frage an sie zurück: »Ja, was?«
    »Es gibt nichts zu diskutieren. Und wenn ich hundert Nächte darüber schlafe – ich werde meinen Entschluß nicht ändern.« Sie sah sich finster im Restaurant um und sagte dann, nur mit den Händen: Ich werde ihn verfolgen, ob du mitkommst oder nicht.
    Sie checkten mit ihrer Kreditkarte – Bridgers Karten waren dank Frank Calabrese gesperrt – im Gold Country Motel ein. Dana duschte, streckte sich dann auf dem weißen Block des großen Doppelbetts aus und starrte wie ein Zombie an die Decke, während Bridger auf und ab ging, mit einer Hand das Handy ans Ohr drückte und mit der anderen ausholende, zupackende, schlagende Bewegungen machte, um die Kernpunkte seiner Notlage zu unterstreichen. Zuerst rief er die Kreditkartenunternehmen an, dann die Kreditberichtagenturen, und das alles schien eine Ewigkeit zu dauern. Sie konnte nicht schlafen. Sie konnte noch nicht mal die Augen schließen. Ihre Stirn pochte schmerzhaft, wo sie gegen die Windschutzscheibe geprallt war, und anscheinend hatte sie sich das rechte Knie angeschlagen, als sie auf dem Parkplatz dieses Restaurants bei Sacramento die Tür des Jettas aufgerissen hatte. Bridger hatte darauf bestanden, an einem Drugstore zu halten und eine Tube Neosporin und ein Päckchen Sportpflaster für ihre Stirnwunde zu kaufen, und sie hatte zehn Minuten damit verbracht, die Wunde zu reinigen – es war ein dunkelvioletter, wie ein Muttermal wirkender Fleck mit einem verschorften Riß in der Mitte –, aber sie war nur oberflächlich und verheilte bereits, und Dana hatte nicht vor, noch mehr Aufmerksamkeit als sonst auf sich zu ziehen, indem sie mit einem großen hautfarbenen Pflaster auf der Stirn herumlief, und so scheitelte sie ihr Haar anders und kämmte es über die geprellte Stelle, um sie wenigstens teilweise zu verbergen.
    Irgendwann gelang es ihr einzuschlafen, und als sie nach einer Weile wieder aufwachte, lag Bridger auf dem Rücken und mit weit offenem Mund neben ihr und atmete mit der gewichtigen Ruhe des Schnarchers, doch das störte sie ja nicht. Sie erinnerte sich, daß er sie, als sie zum erstenmal miteinander geschlafen hatten, gewarnt hatte: Andere (also Freundinnen) hatten sich über sein Schnarchen beschwert, doch sie würde sich daran bestimmt nicht stören, oder? Das hatte er mit einem Lächeln gesagt, und sie hatte das Lächeln erwidert und gesagt, sie werde es wohl ertragen müssen.
    Die Jalousie war heruntergelassen, damit niemand ins Zimmer sehen konnte, doch durch die Ritzen zwischen den Lamellen drang noch immer dasselbe unwirkliche Dämmerlicht wie vorhin, bevor sie eingeschlafen war. Wenn sie also nicht die ganze Nacht geschlafen hatte und dies schon das Morgengrauen war, mußte es etwa acht oder neun Uhr sein. Jedenfalls war die Abendessenszeit bereits vorbei. Sie spürte, daß ihr Magen knurrte – Peristaltik , noch so ein Wort –, und mit einemmal wurde ihr deutlich bewußt, daß sie Hunger hatte. Großen Hunger. Sie war so erregt gewesen, daß sie nicht viel von dem Thunfisch-Sandwich heruntergebracht hatte, und davor hatte sie zuletzt in der Nacht gegessen, als sie zu dem Imbiß gefahren waren und Frank Calabrese Gelegenheit gegeben hatten, wieder ins Haus zu schlüpfen. Oder vielleicht war er die ganze Zeit dagewesen und hatte sich versteckt. Hatte Pläne geschmiedet. Hatte gestohlen. Sich auf die große Verfolgungsjagd vorbereitet. Der Gedanke an ihn steckte wie ein mit Widerhaken versehener Pfeil in ihrem Kopf: Er war das erste, woran sie dachte, wenn sie erwachte, er war das letzte, woran sie dachte, bevor sie einschlief. Nicht mehr lange, und sie würde von ihm träumen.
    Sie setzte sich auf. Das Motel war so billig, daß das Zimmer nicht mit einem

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