Talk Talk
daß Matts Martini offiziell ein Gibson war, weil in dem Glas eine Perlzwiebel lag, während Patricia die traditionelle Olive bevorzugte. Ein paar Sekunden lang sagte niemand etwas. Es war das, was Hörende als »peinliches Schweigen« bezeichneten. Für Dana gab es kein Schweigen, das peinlich gewesen wäre, und ihr Blick ging ruhig von Matt, der links von ihr saß, zu Bridger und schließlich zu Patricia, rechts von ihr. Patricia hatte ein begieriges, geradezu aufdringliches Gesicht, dessen Züge zu schwer zu sein schienen für ihren sehnigen, angespannten Körper. Sie sah aus wie eine Karikatur: alles Gewicht war oberhalb der Schultern, nichts unterhalb. »Also«, sagte sie und spitzte die Lippen, »du heißt Dana, nicht? Es tut mir leid, ich kann mir Namen furchtbar schwer merken...«
»Ja, stimmt.«
»Und was, äh, was machst du so? Ich meine, was arbeitest du?«
Alle drei sahen sie an, als wäre sie einer der Seelöwen in Sea World, der auf den Stuhl geklettert war und gleich einen Stock auf der Nase balancieren würde, um vom Wärter mit einer glitschigen Sardine belohnt zu werden. Sogar Bridger, der eben noch stumpf vor sich hin gestarrt hatte, war wie ausgewechselt und aufgekratzter, als sie ihn in einer Woche, in einem Monat erlebt hatte. Sie sagte so deutlich sie konnte: »Ich bin taub. Ich unterrichte an einer Gehörlosenschule. Bis vor kurzem jedenfalls.«
»Ach, taub?« sagte Patricia. »Das ist interessant. Das ist echt interessant.«
Matt sagte etwas. Er hatte mal einen gehörlosen Jungen gekannt, in der High School, und der war ein super Baseballspieler gewesen, Centerfielder, schnell wie der Wind – dann kam noch etwas und noch etwas –, und er hatte sogar in der Collegeliga gespielt, es aber nicht in die Landesliga geschafft. »Wie dieser Typ, der letztes Jahr bei den Angels gespielt hat, wie hieß er noch mal?«
Bridger wußte den Namen und buchstabierte ihn für Dana mit den Fingern: Pride. Das war der Nachname, an den Vornamen konnte er sich nicht erinnern.
»Jedenfalls nicht Charlie Pride«, sagte Matt. Alle lachten, und Dana hätte den Witz nicht verstanden, wenn Bridger ihn nicht ebenfalls buchstabiert hätte.
»Nein«, sagte Patricia, hörte auf zu lachen und faßte sich wieder, indem sie einen winzigen Schluck von ihrem Martini nahm. »Das war doch dieser schwarze Country-and-Western-Sänger. Ich weiß noch, daß mein Vater Platten von ihm hatte.«
»Also dieser Typ bei den Angels: Die Zuschauer konnten ihm allen möglichen Scheiß zurufen, um ihn abzulenken – ihm war das ganz egal. Könnt ihr euch das vorstellen? Die konnten seine Mutter beleidigen, aber das hat er gar nicht mitgekriegt.«
Bridger zuckte die Schultern. »Ja, aber was war, wenn sie gejubelt haben?«
Und dann sagte Matt Kralik etwas, und Bridger antwortete darauf, und Patricia warf etwas ein. Die Unterhaltung schwenkte in unerwartete Richtungen, und dann wurde das Essen serviert, Bridgers Hände beschäftigten sich mit seinem Shish Kebab, und Dana kam nicht mehr mit. Schließlich senkte sie den Blick und konzentrierte sich ganz auf ihren Teller.
Nach dem Essen tranken sie Chai mit Honig und Kondensmilch, und es wurde noch mehr geredet. Dann wollten die drei in eine Bar gehen – Matt Kralik kannte eine, wo es die beste Musik der Stadt gab –, und Dana ging mit, obwohl ihr der Kopf brummte, bis vor ihrem geistigen Auge das Wort »Gehirnerschütterung« erschien, als wäre es in großen, geschwungenen Buchstaben an die Tafel in ihrem Klassenzimmer geschrieben. Aber nein, sie war einfach müde. Fix und fertig. Und wütend. In der Bar – die wie jede andere Bar der Welt war – gefiel es ihr nicht. Es ging vermutlich laut zu, und Matt, Patricia und Bridger nickten mit den Köpfen im Rhythmus der Musik, die höchstwahrscheinlich aus den in den Ecken aufgehängten Lautsprechern dröhnte, und rissen die Münder auf, um sich (wie sie annahm) etwas zuzurufen. Sie zog die Schuhe aus und tanzte zweimal mit Bridger und einmal mit Matt, aber irgendein Ochse trat ihr mit seinem Stiefel auf den rechten Fuß, und die Befreiung durch Bewegung, die ihr sonst eine Art von grenzenlosem Hochgefühl bescherte, blieb diesmal aus. Es gelang ihr nicht, das Bild von Frank Calabrese loszuwerden. Bridger gelang es allerdings – er amüsierte sich großartig, das war deutlich zu sehen, und sie machte ihm daraus keinen Vorwurf. Oder vielleicht doch. Jedenfalls sagte sie, nachdem sie eine halbe Stunde zugesehen hatte, wie die anderen
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