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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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verstand. »Die Nummer – du weißt schon, das Händlerkennzeichen. Weißt du noch, was darauf stand? Den Namen des Händlers, meine ich. Ich glaube, es war ›Bob Soundso Mercedes‹.«
    »›Bob Almond Mercedes/ BMW ‹«, sagte sie. »In Larkspur.«
    Er setzte sein gedankenvolles Gesicht auf. Sie fuhren im Schrittempo. »Ich hab nachgedacht, denn das hier bringt uns nicht weiter. Wir könnten Milos anrufen, und vielleicht kann er bei dem Händler rauskriegen, wer den Wagen gekauft hat, ich meine, den Namen von dem –«
    »Ich will nicht zurück«, sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung. »Und außerdem hat er bestimmt nicht seinen wirklichen Namen benutzt, oder?«
    »Aber er könnte die Seriennummer feststellen, die Fahrgestellnummer.«
    »Und was sollten wir damit anfangen?«
    Er antwortete nicht. Statt dessen fragte er: »Und was ist mit dem Jackett?«
    Ja, das Jackett. Es lag auf dem Boden wie eine Matte, die den Teppich schonen sollte. Sie hob es auf und strich es auf dem Schoß glatt: schwarze Rohseide mit roten Applikationen. Der Duft von Eau de Cologne stieg ihr in die Nase und noch etwas anderes, etwas Tieferes, Dichteres: sein Geruch, der Geruch seines Körpers, seiner Achselhöhlen, seiner Haut. »Hugo Boss«, verkündete sie nach einem Blick auf das eingenähte Etikett. »Gut zu wissen, daß dieses Arschloch Geschmack hat. Hast du gesehen«, fragte sie, während sie in die Innentasche griff, »wie er uns angestarrt hat? Diese Frechheit?« Da war etwas Hartes: eine Sonnenbrille, Revo, zweihundertfünfzig Dollar. Sie hielt sie hoch, damit Bridger sie sehen konnte.
    Er warf einen flüchtigen Blick darauf, und dann sah er in den Rückspiegel – jemand schien ihn angehupt zu haben. Er setzte den Blinker und hielt im Halteverbot am Straßenrand. Ein kleiner schwarzer Wagen, ein Mini, schoß an ihnen vorbei. Bridger nahm die Brille, musterte sie wie etwas Totes, das er unter dem Ausguß gefunden hatte, und setzte sie schließlich auf. Es war eine enganliegende Brille, das Gestell silbermetallic. »Yeah«, sagte er und begutachtete sein Gesicht im Rückspiegel, »bärenstark.«
    Sie steckte die Hand in die linke Außentasche und zog einen Kamm mit ein paar starken, dunklen Haaren, einen unbenutzt wirkenden Kugelschreiber und ein dünnes Päckchen Papiertaschentücher hervor. Bridger wandte sich zu ihr und sagte: »Wie sehe ich aus?« Ein seltsames Gefühl überkam sie. Sie strich mit dem Finger über die Zähne des Kamms und roch daran. Da war wieder sein Geruch, der Geruch seiner Kopfhaut und seines Shampoos, und es war, als würde sie ihn auf eine elementare Weise kennen, als wäre sie mit ihm zusammengewesen, als wäre die Verletzung gegenseitig.
    Ein leichter Regen besprenkelte die Windschutzscheibe. Bridgers Kopf schwebte neben ihr im Halbdunkel des Wagens, doch es war eigentlich gar nicht Bridger, nicht mit diesen schmalen Reptilienaugen, den spiegelnden Gläsern, die wie ein klaffender Spalt in seinem Gesicht waren und es kleiner erscheinen ließen. »Nimm sie ab«, sagte sie.
    Er wandte den Kopf und setzte die Brille ab, und noch während er sagte: »Ist das alles?«, stieß sie in der anderen Außentasche auf ein Stück Papier, den Zahlungsbeleg von Johnny Lee’s Family Restaurant.
    »Was ist das? Ein Kreditkartenbeleg? Das könnte uns weiterhelfen. Was steht drauf?«
    Sie brauchte einen Augenblick. Die Ziffern und Buchstaben waren blaß und undeutlich, doch dann fügte sich alles zu einem Sinn: Summe, Steuer, Kontonummer und die selbstbewußte Unterschrift des Karteninhabers: Bridger Martin .
    »Wir müssen rational vorgehen«, sagte er. Jedenfalls glaubte sie, daß er das sagte. Rational , das war doch das Wort, oder? Vielleicht sprach er aber auch von Rashomon , dem Kurosawa-Film, und für den winzigsten Bruchteil einer Sekunde fragte sie sich, wie sie – sie, Bridger und der Dieb – in dieses Szenario mit seinen wechselnden Perspektiven und der dekonstruierten Erzählweise paßten. Sie sah Toshiro Mifune das Schwert schwingen, sein Gesicht eine von Angst und Aggression verzerrte Fratze, und dann war sie wieder bei Bridger, der jetzt noch etwas sagte. Sie war zu müde, um es zu verarbeiten.
    Sie saßen in irgendeinem durchschnittlichen Restaurant mit Paneelen aus Holzimitat und so trüber Beleuchtung, daß man die Speisekarte kaum lesen konnte: Thunfisch auf Roggenbrot mit einem dünnen Scheibchen saure Gurke für 9,95, Eistee drei Dollar. Es war inzwischen später Nachmittag, und draußen

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