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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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warten, bis die Frau ihre Stimme erhob – »Der nächste!« rief sie ungeduldig, »der nächste!« – und schließlich den Arm über die Theke reckte, um Dana mit ihrem plastikummantelten Zeigefinger anzustoßen. Niemand läßt sich gern ignorieren, dachte er – das war es, was er Dana mitteilte, eine kleine Lektion, wie du mir, so ich dir. Sie bedachte ihn mit einem wütenden Blick, wandte sich zu der Frau und bestellte, indem sie mit dem Finger zeigte, denn das war die hier übliche Methode. Der ganze Prozeß des Schlangestehens und des Zusammenstellens eines Sandwiches war eine von Kunden und Mitarbeitern gemeinsam aufgeführte Pantomime, die in unregelmäßigen Abständen mit Fragen untermalt war: Großes oder kleines Baguette? Vollkorn oder normal? Zu trinken?
    Er wartete, bis sie wieder im Motel waren, wo sie die Schuhe auszogen, unter dem wachsamen Auge des Fernsehers auf das Bett sanken und sich über die Sandwiches hermachten, bevor er das Thema wiederaufnahm. »Ich weiß nicht«, sagte er und sah ihr ins Gesicht. »Ich frage mich bloß, wie unser Plan aussieht.«
    Sie war im Nachteil, denn man brauchte beide Hände, um ein großes Baguette-Sandwich so zu halten, daß es nicht in seine Bestandteile zerfiel, doch sie gab sich Mühe. Sie schluckte und beugte sich vor, um durch den Strohhalm einen Schluck aus dem extragroßen Becher Diätlimonade zu trinken, den sie zwischen die Beine geklemmt hatte. Ihr Gesicht war jetzt ganz ruhig, die Anspannung und Erschöpfung hielten sie nicht mehr so fest im Griff. Als sie sich aufrichtete, lächelte sie. »Unser Plan«, sagte sie langsam und deutlich, »sieht so aus, daß wir zu meiner Mutter fahren und uns ein paar Tage verwöhnen lassen.« Sie riß den Mund auf, nahm einen großen Bissen von dem Sandwich, kaute, schluckte und hatte noch immer beide Hände voll. »Dann«, fuhr sie fort und sah zum Fernseher und wieder zurück zu Bridger, »steigen wir in den Wagen, fahren auf dem FDR Drive und dem Deegan Expressway und der I-87 zum Sprain Brook Parkway und dann zum Taconic Parkway. Wenn ich mich recht erinnere, geht’s dann erst auf der 9A und später auf der Route 9 weiter bis nach Peterskill.« Sie beugte sich vor und biß noch einmal ab. Brot, Schweizer Käse und geräucherte Putenbrust dämpften ihre Worte. »Das ist eine schöne Gegend«, sagte sie kauend. »Alte Bäume, Weißdornbüsche, Wildblumen. Wird dir gefallen.«
    Es war bereits nach Mittag, als er erwachte. Der Raum war kühl und dunkel, der Welt entrückt wie eine still durch das Universum schwebende Zeitkapsel, und er hätte vielleicht noch länger geschlafen, wenn sich nicht ein gedämpftes Geräusch, ein rhythmisches Klopfen im Niemandsland zwischen dem dumpfen Stöhnen und dem pfeifenden Zischen der Klimaanlage, breitgemacht hätte. Zunächst wußte er nicht, wo er war, alles war trüb und der Farben beraubt, und er hatte das Gefühl, von Rädern getragen zu werden und in Bewegung zu sein, doch dann erwachte er vollends, und das Geräusch – jemand klopfte an die Tür, das war es – erforderte eine Reaktion. Er zog die Shorts an, die er gestern auf den Boden geworfen hatte. Sie fühlten sich kalt an, kalt und noch leicht feucht vom Schweiß des gestrigen Tages. Das Klopfen wurde dringlicher. Er sah zu Dana. Ihr Gesicht war schlafversunken – nichts konnte sie wecken, und dieser Gedanke erfüllte ihn mit Zärtlichkeit und dem Wunsch, sie zu beschützen. Was würde geschehen, wenn er nicht da wäre? Das Haus konnte in Flammen stehen, und sie würde es nicht merken. Er tastete sich zur Tür und öffnete.
    Vor ihm stand eine Frau mit erhobener Faust, im Begriff, abermals zu klopfen – eine Frau, deren schwarzes Haar zu einem Knoten gebunden war und die ihn ärgerlich ansah. Warum kam sie ihm nur so bekannt vor? Für einen Augenblick war er ratlos, doch dann bemerkte er ihre Sandalen und den orangeroten Sari, und er begriff. »Was?« sagte er und kniff vor dem Gleißen des Sonnenlichts die Augen zu. »Was ist los?«
    »Das Zimmer muß um elf Uhr geräumt sein.«
    »Ach ja«, murmelte er, »ja, tut mir leid.« Die Hitze, die vom Boden aufstieg und auf jedem Bach, Teich und moskitoverseuchten Tümpel der Gegend lastete, drang auf ihn ein, bis er das Gesicht verzog: Luftfeuchtigkeit . Bisher war das für ihn ein rein theoretischer Begriff gewesen. Ihm brach bereits der Schweiß aus.
    »Zu Ihrer Information: Es ist jetzt fünf vor halb eins.«
    »Es tut mir leid.«
    In dem Blick, mit dem sie ihn

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