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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eine Nacht soviel wie sein Collegeparkplatz damals im ganzen Monat, aber Dana bezahlte, und sie schien es nicht zu stören. Und dann brach die Dämmerung herein, und die Lichter der Stadt flammten auf, als wollten sie sie begrüßen.
    Sie mußten mit dem Portier verhandeln und sich in das Besucherbuch eintragen, und dann traten sie im achtzehnten Stock aus dem Aufzug und wurden von Danas Mutter begrüßt. Sie war etwas kleiner als ihre Tochter, beharrlich schlank und zweimal geschieden, ihr Haar hatte die Farbe dieser Putzschwämme aus dem Supermarkt, und ihr Gesicht mußte sich jedesmal, wenn sie lächelte, neu formieren, als hätte es seine endgültige Form noch nicht gefunden (eine Folge ihrer neuen Zahnprothese, wie er, keine zwei Minuten nachdem er durch die Tür getreten war, erfuhr). Die Wohnung war größer, als er erwartet hatte: ein Zimmer nach dem anderen, es war wie bei Kafka. Oder bei Fincher. Sie hatte diese klaustrophobische, vollgestellte, drei Schattierungen zu dunkle Atmosphäre, die Fincher bei Innenaufnahmen bevorzugte und die Bridger nicht besonders gefiel. Aber die Räume waren nicht Teil eines Computerspiels, dies hier war die Realität, und er hatte Bedenken, sich auf das Wohnzimmersofa zu setzen, aus Sorge, er könnte dort festkleben. Was dachte er also? Wie die Mutter, so die Tochter – Dana war nicht gerade der ordentlichste Mensch, den er kannte.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Halter«, sagte er und stand unbeholfen mitten im Zimmer. Die Jalousien waren heruntergelassen. Es roch nach Katzenklo – genauer gesagt: nach Katzenpisse.
    »Nennen Sie mich Vera«, sagte Mrs. Halter, drückte ihn in einen Sessel, auf dem mehrere Strickprojekte in den verschiedensten Stadien der Vollendung lagen, und mühte sich mit einer Weinflasche – der Korken machte offenbar Probleme – sowie einer Dose mit Nußmischung ab, auf der Mr. Peanut vor nachtblauem Hintergrund zu sehen war. Sie hieß jetzt nicht mehr Mrs. Halter. »Danas Vater hat mich wegen einer älteren Frau verlassen – muß man sich mal vorstellen«, sagte sie zu ihm. »Aber das ist zehn Jahre her.«
    »Mom«, sagte Dana, »fang jetzt nicht damit an. Wir sind gerade erst angekommen.« Sie warf sich auf das Sofa in der Ecke. Das dunkelgrüne rissige Leder ließ ihre nackten Beine bleich wirken.
    »Sie war eine Kollegin. Er ist Anwalt, ich weiß nicht, ob Dana Ihnen das erzählt hat... Jedenfalls habe ich den Namen meines zweiten Mannes – Veit – behalten, nicht weil ich irgendwas gegen Rob hätte – das ist Danas Vater –, sondern weil ich mich daran gewöhnt habe. Außerdem hat er mehr Schmiß: Vera Veit – V. V.« Sie stellte die Weinflasche auf den Sofatisch und zeichnete mit ihren weißen schmalen Händen die geschwungenen Konturen einer Gestalt in die Luft. »Irgendwie sinnlich, finden Sie nicht auch?«
    »Mom«, sagte Dana, und es klang flach, eine Klage, die in der Luft gehangen hatte, seit sie ein langbeiniges, überirdisch schönes Mädchen gewesen war, das nie den richtigen Ton fand, nie in eine Diskussion oder einen Streit eingreifen oder an den täglichen verbalen Ritualen der Familie teilnehmen konnte, ohne Hände, Gesicht und Körper zu Hilfe zu nehmen. Er registrierte es, registrierte auch, daß Dana wieder zum Mädchen geworden war, und zwar in dem Augenblick, in dem sie über die Schwelle getreten war und ihre Mutter sie in die Arme geschlossen und in vollkommener Harmonie mit ihren inneren Rhythmen hin und her gewiegt hatte. Es war gut. Alles war gut. Zum ersten Mal seit Tahoe konnte er sich entspannen.
    Während der nächsten halben Stunde hüpfte das Gespräch herum wie ein Strandball, der in Bewegung gehalten werden mußte: ein paar Fragen nach Bridger, seinem Beruf, seinem Einkommen, seinen Aussichten, und dann brachte Vera ihre Empörung über »diese Sache mit dem Identitätsdiebstahl« zum Ausdruck und ließ durchblicken, daß Dana das alles durch ihre Sorglosigkeit wohl selbst heraufbeschworen hatte, worauf diese mit den wütendsten, nachdrücklichsten Gebärden antwortete, die er je an ihr gesehen hatte. Dann blieb der Ball liegen, und sie sahen einander an wie Fremde, bis Danas Mutter unvermittelt aufsprang und sagte: »Ihr müßt hungrig sein. Ihr habt doch unterwegs bestimmt nichts gegessen. Zu Mittag, meine ich.«
    Bis dahin hatte er gar nicht gemerkt, wie hungrig er war. Seit dem Frühstück (das genaugenommen ein Mittagessen gewesen war – er erinnerte sich mit einem flauen Gefühl im Magen an

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