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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eigentlich. Ich hab mir den ganzen Nachmittag freigenommen, um herzukommen und« – es war der reinste Filmdialog, und die Worte klebten ihm am Gaumen – »sie auf Kaution rauszuholen, aber keiner kann mir sagen, wie hoch die Kaution ist und was ihr überhaupt vorgeworfen wird.« Er ließ es wie eine Frage klingen, wie ein Bittgesuch.
    Sie überraschte ihn. Ihr Mund entspannte sich. Die Menschlichkeit – das Mitgefühl – kehrte in ihre Augen zurück. Sie würde ihm helfen. Sie würde ihm also doch helfen. »Name?« sagte sie.
    »Dana«, antwortete er. »Dana Halter. H-a-l-t-e-r.«
    Noch während er überflüssigerweise den Namen buchstabierte, tippte sie ihn bereits ein. Bridger beobachtete ihr Gesicht, als sie auf den Bildschirm sah. Für eine Frau in mittleren Jahren war sie jetzt, da sie ihre Lippen nicht mehr so zusammenkniff, hübsch oder wenigstens beinahe hübsch. Er wollte, daß sie sich erbarmte, daß sie ihm half, ihn bemutterte und an der Hand nahm – sie war eine Schönheit, im Strahlenkranz der Wahrheit führte sie das Schwert der Gerechtigkeit. Jedenfalls während der wenigen Sekunden, die es dauerte, bis die Information auf dem Bildschirm war. Sogleich erlosch alles Leben in ihr, und sie war wieder alles andere als hübsch. Ihre Augen wurden hart, und der Mund war klein und verbittert. »Wir wissen noch nicht genau, was wir hier haben«, sagte sie knapp. »Es kommt erst nach und nach rein. Und wegen der Sache in Nevada wird sich wohl das FBI einschalten.«
    »Der Sache in Nevada?«
    »Überschreitung der Staatsgrenzen zum Zweck eines Verbrechens. Scheckfälschung.«
    »Scheckfälschung?« wiederholte er ungläubig. »Aber sie ist doch nie in –« begann er und besann sich eines Besseren. »Hören Sie«, sagte er, »helfen Sie mir bitte. Ich verstehe das nicht ganz – es ist offenbar ein Irrtum, eine Verwechslung oder irgendwas in der Art. Ich muß jetzt bloß wissen, wann ich sie auf Kaution rausholen kann und wo ich die Kaution stellen soll.«
    In ihren Mundwinkeln zuckte die zarte Andeutung eines amüsierten Lächelns. »Aus mindestens zwei Countys haben wir Haftbefehle mit Kautionsausschluß, weil sie trotz Kaution abgehauen ist, und das heißt, daß sich vor Montag wohl nichts ergeben wird.«
    »Montag?« sagte er. Seine Stimme quietschte beinahe, er konnte nichts dagegen tun.
    Eine Sekunde. Zwei. Dann bewegten sich ihre Lippen wieder: »Frühestens.«

DREI
    Man steckte sie in eine Zelle, die kürzlich geputzt worden war. Die vergitterte Lampe tauchte alles in gleißendes Licht, ein fächerförmiger Rest von trocknenden Mopstrichen umgab die Edelstahltoilette, die wie ein Ausstellungsstück mitten im Raum stand. Der Geruch des Desinfektionsmittels, ein ätzender Gestank, hing in der stickigen Luft und trieb Dana die Tränen in die Augen. Während der ersten Minuten versuchte sie, nur durch den Mund zu atmen, aber das schien es nur schlimmer zu machen. Sie lehnte sich an die die graue Betonwand mit den blassen Graffiti-Hieroglyphen und rieb sich die Augen – nein, das waren keine Tränen, ganz bestimmt nicht, denn sie war weder eingeschüchtert noch ängstlich oder im mindesten besorgt. Sie war – wie hieß das Wort? – frustriert , das war alles. Zornig. Wütend. Warum hörte ihr niemand zu? Sie hätte eine schriftliche Aussage machen können, wenn jemand daran gedacht hätte, ihr Papier und einen Stift zu geben. Und dieser Dolmetscher, Iverson – in seinen Augen war sie schuldig bis zum Beweis ihrer Unschuld, und das war falsch, einfach grundfalsch. Sie brauchte jemanden, der Mitgefühl hatte. Sie brauchte einen Anwalt. Einen Verteidiger. Sie brauchte Bridger.
    Er war hier – sie spürte es. Er war in diesem Gebäude, er war vorn, in der Wache, wo die Polizisten mit den leeren Gesichtern und die Sekretärinnen mit den scharfen Kanten saßen, und brachte alles in Ordnung. Er würde es ihnen erklären, er würde für sie sprechen und alles tun, um sie hier rauszuholen: Er würde zur Bank gehen, zu einem Kautionsbürgen, er würde mit dem Richter und dem Staatsanwalt reden, mit jedem, den er dazu bringen konnte, ihm zuzuhören. Wenn er ihnen vor Augen führte, daß sie sich geirrt hatten – die gesuchte Person war eine andere Dana Halter, und man mußte schon blind sein, um das nicht zu erkennen –, dann würden sie verstehen und sie freilassen. Jeden Augenblick. Jeden Augenblick würde sich der Wärter durch die Stahltür am Ende des Korridors schieben, die Zelle aufschließen und

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