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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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großen Schattenbäume, die in Zeiten der Hoffnung und des wirtschaftlichen Aufschwungs gepflanzt worden waren, und Bridger hatte einen Stadtplan auf dem Schoß ausgebreitet. Er sah sie aus seinem breiten Gesicht an und strich sich mit der Hand über das Haar. »Was für ein See? Wovon redest du? Du meinst den Fluß?«
    Sie sah seine Worte, doch der Impuls schwand schon dahin. Als er sich nach einem Augenblick wieder in die Karte vertiefte, sagte sie: »Egal. Ist nicht so wichtig.«
    Auf dem Weg von der Stadt hierher hatte sie ihn nach ihrer Mutter gefragt. Anscheinend hätten sie sich ja sehr gut verstanden. »Worüber habt ihr geredet?« fragte sie.
    Er kniff gegen das grelle Licht die Augen zusammen und sah immer wieder in den Rückspiegel. Es herrschte dichter Verkehr, und das machte ihn vorsichtig. »Über dich«, sagte er. »Worüber denn sonst?«
    »Ja?« Sie legte eine Hand auf seinen Schoß, und er sah sie kurz an, bevor er den Blick wieder auf die Straße richtete. Der Himmel war grau und bedeckt, es sah nach Regen aus. »Und? Was hat sie gesagt?«
    Sie sah, daß seine Lippen sich bewegten, aber im Profil konnte sie die Worte nicht ablesen.
    »Ich hab dich nicht verstanden«, sagte sie. »Was hast du gesagt?«
    Er wandte sich zu ihr und lächelte. »Sie hat gesagt, du bist dickköpfig.«
    »Ich? Du solltest nicht alles glauben, was du so hörst, mein Freund, besonders wenn man die Quelle berücksichtigt. Besonders wenn du es von der Mutter deiner Freundin hörst –«
    »Freundin? Ich denke, du bist meine Verlobte.«
    »Der Mutter deiner Verlobten.« Sie sah aus dem Fenster auf eine Vegetation, die so dicht war, daß sie ebensogut im Amazonas hätten sein können. Sie waren nicht mal zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt, und rechts und links der Straße war nichts als unergründliches grünes Dunkel. »Ich bin also dickköpfig, hm?« sagte sie und sah Bridger an. »Wie seid ihr denn darauf gekommen?«
    Ein Schulterzucken. »Weiß ich nicht. Es war am ersten Abend, als du das Geschirr gespült hast und gleich nach dem Essen ins Bett gegangen bist.«
    Sein Kopf war nach vorn gereckt, die Augenbrauen waren hochgezogen. Stellte er eine Frage oder traf er eine Feststellung? »Ich verstehe nicht«, sagte sie.
    Er sah angespannt in den Rückspiegel und wandte ihr dann das Gesicht zu, damit sie die Worte sehen konnte: »Als-du-schon-im-Bett-warst.«
    »Ja?«
    »Cochlea-Implantate. Sie hat gesagt, du wolltest dich nicht mal untersuchen lassen.«
    Sie brauchte einen Augenblick, um das zu verarbeiten. Der süße Duft von Chlorophyll strich durch die Lüftungsschlitze, der Himmel senkte sich herab und verdunkelte alles wie ein aufgespannter Regenschirm. Sie sagte: »Natürlich sieht sie das so. Sie hat mich immer gedrängt, immer gedrängt. Aber du verstehst das nicht – sie versteht das nicht. Es war meine Entscheidung, ganz allein meine.«
    »Und jetzt? Würdest du es jetzt tun?«
    Sie stieß ein Lachen aus, das bitter und verächtlich sein sollte, aber es klang eher wie ein Schrei. »Auf keinen Fall«, sagte sie und genoß die Kürze und Endgültigkeit dieser Feststellung. So viel Unnachgiebigkeit in vier kleinen Silben.
    »Warum nicht? Andere –«
    Sie unterbrach ihn mit Gebärden: Du hörst dich an wie meine Mutter.
    Er sah sie an und nahm beide Hände vom Lenkrad. Aber andere tun es , gebärdete er. Warum nicht auch du? Dann – der Wagen kam von der Spur ab, und er griff wieder nach dem Lenkrad – »könnten wir reden«, sagte er laut und blickte wieder in den Rückspiegel.
    »Wir reden doch.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Nein«, sagte sie. »Nein, weiß ich nicht. Du meinst, dann könnten wir auf deine Art reden, in deiner Sprache, stimmt’s?«
    »Nein, ich meine nur, es könnte besser sein.«
    »Hör zu«, sagte sie, »selbst wenn ich wollte, daß mir jemand den Kopf aufbohrt, und das will ich nicht – würdest du dir den Kopf aufbohren lassen? Aber selbst wenn ich es wollte, selbst wenn ich danach etwas hören würde, irgendwas, meinetwegen die schönsten Geräusche der Welt – Musik, die Stimme meines Geliebten, deine Stimme –, würde ich es nicht tun. Ich bin ich. Wenn ich hören könnte, und sei es nur für eine Stunde, eine Minute, wäre ich jemand anders. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    Er nickte, aber in seinen Augen war dieser unbestimmte Ausdruck, als spräche sie in einer ihm unbekannten Sprache, und dann wandte er den Blick ab und konzentrierte sich wieder auf den Wagen

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