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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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oder?«
    Sie gab ihm keine Antwort. Es herrschte kaum Verkehr – Samstag, ein toter Tag in einer toten Stadt –, und sie suchte eine Straße, wo sie mal etwas Gas geben konnte, so daß der Fahrtwind durch die offenen Fenster hereinströmen und ihr Haar packen konnte, aber hier gab es nur Wohnviertel, Hügel und Ampeln. »Hast du Lust, zu Mittag zu essen?« fragte sie Bridger. »Bevor wir... bevor wir unseren kleinen Spaziergang machen? Unseren kleinen Bummel? Hm? Mittagessen? Klingt das gut?«
    In der Stadtmitte fanden sie einen Schnellimbiß, einen echten Diner, der in einem alten Eisenbahnwaggon eingerichtet war. Sie saßen in lähmender Hitze. Ihre Kleider klebten an den lederbezogenen Rückenlehnen. Sie bestellten Sandwiches, die sie dann kaum anrührten, und tranken ein Glas gesüßten Eistee nach dem anderen. Beide Türen waren weit geöffnet, und in der Ecke lief ein alter Standventilator. Überall waren Fliegen – sie rotteten sich auf den Fenstereinfassungen zusammen und flogen kopflos durch die offenen Türen ein und aus. Dana hatte ein Thunfischsandwich bestellt – nicht gerade die optimale Wahl an einem heißen Tag und in einem Lokal mit möglicherweise unzuverlässigem Kühlschrank, weswegen Bridger gesagt hatte: »Ich nehme ein Brötchen mit Speck« –, aber es war nicht schlecht. Es schmeckte sogar ziemlich gut. Und als die gutgelaunte, tüchtige Kellnerin mit den breiten Hüften sich hinunterbeugte und fragte: »Was ist los, Schätzchen – irgendwas nicht in Ordnung, oder ist es bloß die Hitze?«, lächelte Dana und sagte: »Bloß die Hitze.«
    Eigentlich fühlte sie sich gut. Sie hatte das Gefühl, als wäre heute ihr Glückstag. Es war ihr Glückstag, sie wußte es einfach, und in der engen Damentoilette legte sie vor dem zerkratzten Spiegel noch etwas Lippenstift auf und schenkte sich ein breites, entspanntes Lächeln, das Lächeln, von dem ihre Mutter immer gesagt hatte, es werde ihr alle Türen öffnen. »Mit diesem Lächeln und diesem Gesicht«, hatte sie gesagt, »kannst du alles erreichen« – als könnte ein Lächeln ihr die verschmorten Schnecken im Innenohr ersetzen oder den Fremden entwaffnen, der sie ansah, als wäre sie ein Tier, das aus dem Zoo ausgebrochen war. Aber da war es und strahlte sie aus dem Spiegel an: Ihre vollen Lippen lächelten das bezaubernde Lächeln, mit dem sie Peck Wilson ansehen würde, wenn man ihn in Handschellen abführte.
    Sie wollten nicht riskieren, an dem Haus vorbeizufahren, und so bog sie in eine Parallelstraße ein und parkte unter einem der ausladenden Ahorne, die sie säumten. Bridger stieg aus und reckte sich, als wären sie nicht wenige Minuten, sondern viele Stunden unterwegs gewesen. Er trug ein T-Shirt von einem der Kade-Filme, auf dem rot auf schwarz der übergroße Kopf des Helden in einer Art Lederhelm zu sehen war, und obwohl Kade bedrohlich wirken sollte, fand Dana das Bild irgendwie lächerlich. The Kade sah aus, als litte er an Verstopfung. Als wäre er alt und schwach und der Gnade seiner Agenten ausgeliefert. »Nettes T-Shirt«, sagte sie. »Hab ich dir schon gesagt, wie sehr es mir gefällt?«
    Er grinste sie über das Wagendach hinweg an. »Ja«, sagte er, »hast du. Aber Kade ist meine Schöpfung, das weißt du ja. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte Radko den Laden wahrscheinlich dichtmachen müssen.«
    »Hört, hört«, erwiderte sie, und beide lachten. Auch Dana trug ein T-Shirt, ebenfalls schwarz und mit dem Namen einer Band, die sie mochte. Oder gern gemocht hätte. Und eine Shorts, die bequem saß, aber nicht annähernd so weit war wie Bridgers. Trotz der Hitze hatte sie ihre Laufschuhe an, nein, besser: ihre Walking-Schuhe. Am Morgen war ihr erster Impuls gewesen, offene Schuhe anzuziehen, Sandalen oder Flipflops, doch sie hatte sich eines Besseren besonnen: Man konnte nicht wissen, was der Tag bringen und welche Folgen dieser kleine Spaziergang haben würde. Der Gedanke daran überfiel sie, als sie ihre Tasche unter dem Fahrersitz verstaute und den Wagen abschloß, und ihr Magen krampfte sich zusammen. »Hast du dein Handy dabei?« fragte sie.
    Bridger zog es aus der Tasche und zeigte es ihr.
    »Gut«, sagte sie, »dann sind wir soweit.«
    Die Häuser ragten nicht so hoch auf wie die viktorianischen Villen, die näher an der Stadtmitte standen und von deren Fassaden die Farbe abblätterte, schienen aber aus derselben Zeit zu stammen. Sie waren nur kleiner, als hätten hier Leute mit bescheideneren Einkommen gebaut,

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