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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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während die Brauerei- und Fabrikbesitzer und Bankdirektoren ihren Status auf eindrucksvollere Weise kundgetan hatten. Auf luxuriösere Weise. Doch vielleicht irrte sie sich auch. Sie hatte nicht viel Ahnung von Architektur und hätte das auch jederzeit zugegeben. Auf jeden Fall aber hatte hier, ganz anders als in Kalifornien, Generation um Generation gelebt, und das drückte sich für sie in der Ernsthaftigkeit der meisten Häuser aus, die zwar grau und unscheinbar waren, aber auch nach so vielen Jahren noch immer standhielten.
    An der Ecke bogen sie nach rechts ab, und da, am Ende des Blocks, war Peck Wilsons Straße. Wie hieß sie noch gleich? Division Street? Wie passend. Oder wie wär’s mit Jailhouse Road? Thieves Alley? Hatte sie auf dem Stadtplan nicht eine Straße namens Gallows Hill Road gesehen? Da hätte das Haus dieses Mistkerls stehen sollen, in der Gallows Hill Road. Sie wollte eine dementsprechende Bemerkung zu Bridger machen, um ihn ein bißchen aufzumuntern, aber seine Augen waren auf die Straßenecke vor ihnen gerichtet, und er beschleunigte unbewußt seine Schritte. Sie trabte ein paar Meter, um ihn einzuholen, nahm seine Hand, drückte sie fest und glich ihr Tempo dem seinen an.
    Ein Wagen fuhr die Straße entlang und bog an der Ecke ab. Der Abgasgeruch, den er hinterließ, hing schwer in der Luft. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig jagten sich zwei Kinder auf Fahrrädern. Die Blätter der Bäume hatten sich eingerollt. Und dann waren sie in der Straße, wo Peck Wilson wohnte: ein abrupter Richtungswechsel an der Ecke, und da war das Haus, vor dem der Möbelwagen geparkt hatte, und auf der anderen Straßenseite, ein halbes Dutzend Häuser weiter und halb verborgen hinter Büschen und Bäumen und geparkten Wagen, stand das Haus, dessentwegen sie gekommen waren. Sie spürte Bridgers Anspannung. Während sie Hand in Hand die Straße entlanggingen und jeder Schritt sie ihrem Ziel näher brachte, starrten sie angestrengt auf das Haus. Bridger nahm die Sonnenbrille – Peck Wilsons Sonnenbrille – ab, als könnte er dann besser sehen. Jetzt waren sie direkt gegenüber und bemühten sich um Unauffälligkeit, aber soweit Dana es beurteilen konnte, war drüben keine Bewegung auszumachen.
    »Was meinst du?« fragte Bridger.
    Sie gingen weiter, an dem Haus vorbei. Das Sonnenlicht lag in Streifen auf dem Bürgersteig, irgendwo lief ein Rasensprenger, hinter einem verrosteten Gartentor fletschte ein Hund die Zähne. »Ich weiß nicht«, sagte sie und hatte das Gefühl, als würde alle Luft aus ihr entweichen, »es sieht so unbewohnt aus.«
    Er hatte die Schultern zurückgenommen und den Kopf auf eine Art schräg gelegt, die sie kannte: Er war angespannt und erregt, und all das Testosteron, das in seinen Blutbahnen kreiste, ließ ihn beinahe unkontrolliert zucken. Sie dachte an eine Vorlesung, die sie auf dem College besucht hatte: Eine Verhaltensforscherin, deren Forschungsgebiet Schimpansen in Gombe und Bonobos im Kongo waren, hatte einen Film gezeigt, in dem Männchen der entsprechenden Arten sich in ein Drohverhalten hineinsteigerten, und alle Studenten, all ihre gehörlosen Kommilitonen und Kommilitoninnen, waren in lautes Lachen ausgebrochen. Sie brauchten nicht nach Afrika zu reisen, um Körpersprache zu studieren – für sie war das etwas vollkommen Alltägliches.
    »Ja, aber diese Häuser sehen alle unbewohnt aus«, sagte er und beugte sich so nah zu ihr, daß sie meinte, noch das Specksandwich in seinem Atem zu riechen. »Alle hängen vor dem Fernseher und haben die Klimaanlage voll aufgedreht. Wir müssen –« Aber den Rest verstand sie nicht, denn sie waren jetzt an der Ecke angelangt, überquerten die Straße im rechten Winkel und auf dem kürzesten Weg, wie es sich gehörte, und bogen nach links ab. Autos warteten im Leerlauf an der Ampel auf grünes Licht, die Fenster geschlossen, die Klimaanlagen gaben ihr Bestes. Die Hitze stieg vom Bürgersteig auf und legte sich über Danas Gesicht, als ginge sie durch eine Wand, die rings um sie her zerbröckelte.
    Und dann wurde plötzlich alles immer schneller – Fast Forward bis zum Ende –, die Sonne, die Bäume, der Bürgersteig und die geparkten Wagen verschwammen zu einer undeutlichen Ansicht, und das einzige, was sie gestochen scharf sah, war der hintere Kotflügel eines bordeauxroten Mercedes, der an ihnen vorbeisauste. Der rechte Blinker war eingeschaltet, und hinter der Heckscheibe lag schlaff eine Kinderpuppe.

FÜNFTER

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