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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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T-Shirt, ihr Gesicht verzerrt vom unergründlichen Mysterium ihrer gespenstischen Stimme, die zu diesem heftigen Augenblick gehörte. Und dann, als wäre es schon lange so beschlossen, stürzte er sich auf sie, und sie wich ihm aus, und dann rannten sie.
    In seinem Kopf war nichts anderes als der Wunsch, sie zu schlagen, zu verletzen, er wollte sie vor sich liegen sehen und sie zertreten. Bei seinem ersten wütenden Sprung hätte er sie beinahe gehabt. Er griff nach ihrem schwingenden Arm und spürte die zarten, sich unter der Haut abzeichnenden Knochen ihres Handgelenks, doch sie war zu schnell für ihn, und die Wut darüber – diese Schlampe, diese Schlampe, diese elende Schlampe – blühte in einem heißen Pulsieren hinter seinen Augen auf und machte ihn blind für alles außer den braunen Sohlen ihrer hüpfenden Schuhe und dem Wehen ihres Haars. Er brannte, er brannte. Jede Faser seines Körpers war angespannt. Er war in Form, in guter Form, aber das war sie auch. Sie rannte um ihr Leben, sie rannte, um ihm zu entkommen, um ihn zu demütigen, zu zermürben. Sie waren am Ende des Blocks angelangt, und noch immer war sie drei Meter vor ihm.
    Weiter vorn sprang die Ampel auf Rot. Er bemerkte es und berechnete die Möglichkeiten. Sie würde einen Haken schlagen müssen, um entweder links abzubiegen oder rechts, wo die Ampel Grün zeigte, über die Straße zu rennen, und dazu würde sie abbremsen müssen, nur für den Bruchteil einer Sekunde, gerade lang genug – doch sie überraschte ihn und stürmte über die Straße, ohne auch nur den Kopf zu wenden. Der blaue Pick-up, der direkt auf sie zukam, mußte ausweichen, und nun war er derjenige, der abbremsen mußte, um hinter dem Wagen vorbeizurennen, während der Fahrer fluchte und auf die Hupe drückte. Wenn er nur nachgedacht hätte, wäre er zurückgelaufen, hätte Natalia in den Wagen gezerrt und wäre verschwunden, bevor jemand die Bullen rief – aber er dachte eben nicht nach. Sie floh vor ihm, er jagte sie. Am Ende des nächsten Blocks würde er sie eingeholt haben, ja, und dann würde er seine sechzig Sekunden haben und es ihr heimzahlen. Und dann, dann würde er verschwinden.
    Er hörte ihren Atem, der wie zerreißendes Papier klang, das Klatschen der Schuhsohlen auf den Betonplatten. Ihre Schultern pumpten, ihr Haar wippte, als hätte es sich von der Kopfhaut gelöst. Und mehr noch: Er konnte sie riechen, die verschmorte Asche ihrer Angst, den Schweiß, der wie Saft unter ihren Armen und zwischen den Beinen hinabrann. Er holte einen Schritt auf, aber als er versuchte, noch näher zu kommen und sie zu Boden zu stoßen, drückte die Hitze mit zwei Händen gegen seine Brust und verhinderte es. Hinter den Windschutzscheiben der gemächlich die Straße entlangfahrenden Wagen trieben Gesichter vorbei, irgend jemand saß auf einer Veranda, er hörte das Wummern eines Baßlaufs aus einem Ghettoblaster, Stimmen, Musik, das Sirren von Zikaden. In seinen Ohren schrie das Blut. Er war noch nicht einmal außer Atem.
    Der weiße Chevy-Lieferwagen an der nächsten Ecke fuhr zu schnell, wollte bei Gelb noch über die Kreuzung, und die Frau am Steuer drückte auf die Hupe, stemmte sich regelrecht dagegen, aber es war einer dieser Wer-bremst-verliert-Momente, und er zögerte keinen Augenblick. Er hatte sie, er hatte die Finger in ihre Haare gekrallt, der Lieferwagen glitt vorbei wie ein Stier, der die Capa streift, und dann kam der andere Wagen ins Bild, der Wagen, der hinter dem Lieferwagen gewesen war und den er nicht gesehen hatte. Und das war’s dann. Wo eben noch nichts als Luft gewesen war, befand sich infolge eines überaus eigenartigen Taschenspielertricks mit einemmal eine Fläche aus Stahl, Chrom und Sicherheitsglas. Sie prallten beide dagegen und gingen, umweht von einem Geruch nach verschmortem Gummi, zu Boden.
    Zwei Schwarze. Jung, ängstlich, mit wütenden Gesichtern. Irgendwelche Verrückten waren gegen ihren Wagen gerannt. Auch sie rochen verschmortes Gummi, als sie aus dem Wagen stiegen. Der Verkehr stockte, Dana Halter sprang auf wie ein Kaninchen, und er selbst sprang ebenfalls auf und war zu allem imstande, zu allem . Doch da ertönte das Jaulen der Sirene, rote und blaue Lichter blitzten, der Streifenwagen glitt auf die Kreuzung, und plötzlich konnte er nirgends mehr hin. Für eine Sekunde starrte er in ihre Augen, ihre braunen Augen, deren schwarze Pupillen vor Angst geweitet waren und in die jetzt Haß und Triumph traten. Die Bullen stiegen aus dem

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