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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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kein Knaller – es war nicht einmal komisch.
    Im Bezirksgefängnis – irgendwann tief in der Nacht war ein Bus gekommen, sie hatten sich aufstellen müssen, man hatte ihnen Handschellen und Fußfesseln angelegt, und dann waren sie mit Trippelschritten eingestiegen –, im Bezirksgefängnis also steckte man die drei in eine Zelle, die bereits mit sechs schlaflosen, wütend aussehenden Frauen in verschiedenen Stadien der Erniedrigung und Verzweiflung belegt war. Zwei von ihnen hatten rechts am Hals die verwaschene Tätowierung eines Skorpions, und eine, ein Teenager mit Kindergesicht und geschorenem Kopf, sah aus, als könnte sie ein Loch in die Mauer brechen, ohne ins Schwitzen zu geraten. Die anderen drei – zierliche, stark geschminkte Asiatinnen, die in den orangeroten Gefängnisoveralls beinahe versanken – waren möglicherweise Prostituierte. Soweit Dana wußte, konnten sie alle Prostituierte sein. Und machte das einen Unterschied? Sie war jetzt eine von ihnen, und wenn sie auf dem Boden schlafen mußte – ein kurzer Blick: sechs Pritschen für neun Frauen –, dann würde sie das eben tun. Sie würde alles auf sich nehmen, um das hier hinter sich zu bringen und diesen Alptraum zu überstehen.
    Auch sie trug einen orangeroten Overall. Man hatte ihr die Kleider – sogar die Schuhe und die Unterwäsche – abgenommen und durch diesen oftmals gewaschenen pflegeleichten Baumwollanzug (auf dem Rücken stand in fünfzehn Zentimeter hohen Buchstaben SAN ROQUE COUNTY JAIL ) und billige Gummisandalen ersetzt, eine Spende der Steuerzahler von San Roque County. Als sie die Zelle betreten hatten, war Leben in Angela gekommen. Sie hatte das muskulöse Mädchen umarmt, als wären sie Schwestern, und dann, mit derselben pantomimischen Gebärde wie bei Dana und Marcie, angefangen, Zigaretten zu schnorren. Das war das letzte, woran Dana sich klar erinnerte, denn was darauf folgte, waren zwei Nächte und zwei endlose Tage voller zielgerichteter Aggressionen. Mehrmals stand sie mit dem Rücken zur Wand da und versuchte, sich mit Händen und Lippen verständlich zu machen, während irgendeine Frau ihr irgendeine Tirade ins Gesicht schrie. Hatte sie denn gar nichts anzubieten, keine Zigaretten oder Bonbons, kein Kaugummi oder Make-up? Was war sie eigentlich – eine Idiotin? Taubstumm, behindert, oder? Und dann ließ die andere den Blick in die Runde schweifen, und in allen Gesichtern (nur Marcie fehlte – sie war am ersten Morgen gegen Kaution freigekommen) stand die grausame Schadenfreude, die Dana ihr Leben lang hatte ertragen müssen. Nur: Das hier war schlimmer. Es war besonders. Es war, als wäre sie wieder auf dem Schulhof der Grundschule, und die anderen wurden der Sache nicht überdrüssig, denn sie konnte nicht antworten, oder jedenfalls nicht schnell genug und mit verständlichen menschlichen Lauten, und darum war sie ihr Nadelkissen, ihr Totem, das einzige lebende Wesen weit und breit, das ihnen in den langen Stunden des haßerfüllten Brütens das Gefühl geben konnte, etwas Besseres zu sein.
    Am Montag morgen um vier – das zeigte jedenfalls die Uhr am Ende eines langen Korridors, der zu frischer Luft und dem damit vermischten widerwärtig süßlichen Abgasgeruch führte – wurden sie wieder in einen Bus geführt. Die Frauen saßen auf der einen Seite, die Männer auf der anderen. Dana war jenseits der Verzweiflung. Sie war teilnahmslos, abgestumpft gegen die Erniedrigung, mitten in einem hellerleuchteten Raum vor den Augen von sieben anderen Frauen die Toilette zu benutzen, abgestumpft gegen die Ketten an ihren Füßen und die Handschelle, die ihr linkes Handgelenk an das rechte des muskulösen Mädchens fesselte. Alle Erinnerungen an die Hausarbeiten ihrer Studenten, an ihre Wohnung, ihre Arbeit, ihren Freund, ja sogar an ihre Unschuld waren ausgelöscht. Dies war jetzt ihr Leben: Ketten, unflätige, ungebildete, stinkende Frauen, eine hauchdünne Scheibe Wurst mit einem Klecks Ketchup zwischen zwei Scheiben Weißbrot. Dies und nichts anderes.

VIER
    Bridger hatte an jenem Abend, an dem sie sich kennengelernt hatten, neben Deet-Deet an der Bar gestanden und ein Bier bestellt, von dem er dann aber keinen Schluck trank. Er versuchte, lässig auszusehen, lehnte den Rücken an das schimmernde Mahagoni der Theke, stützte sich mit den Ellbogen ab und bemühte sich um einen Ausdruck von Unbekümmertheit – das, was er als »Gipfel der Coolness« bezeichnete. Der Rhythmus lastete auf allen, als wäre Schall

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