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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihrem Mund so etwas wie ein Lächeln. Sie war stolz auf das, was sie geschafft hatte, stolz auf die Anerkennung, die ihr das in einer Welt voller Faulpelze und Versager verschaffte, und betrachtete es als Sprungbrett, das ihr größere, viel größere Möglichkeiten eröffnete. Es war ihr Ehrgeiz, an einem vierjährigen College zu unterrichten, aber nicht an einem College für Gehörlose wie Gallaudet, sondern an einem für Hörende, wo sie Seminare über zeitgenössische amerikanische Lyrik und Prosa und vielleicht sogar einen Schreibkurs leiten würde. »In Anglistik/Amerikanistik. Ich habe meine Dissertation über Poe geschrieben und vor zwei Jahren den Morris-Lassiter-Preis dafür bekommen, das war, bevor ich hier in San Roque als Lehrerin angefangen habe.« Ihre Stimme brach ab – Bridger sah, daß sie müde war –, und sie zerhackte die Silben und übersprang hin und wieder eine. »Im Au-gen-blick überlegt man bei einem an-ge-se-he-nen wis-schaft-li-chen Verlag, dem mich mein Dok-va-ter em-pfoh-len hat, ob man sie veröffentlichen soll, aber ich will den Namen nicht nen-nen, bevor nicht al-les unter Dach und Fach ist. Das wäre irgendwie nicht richtig –«
    »Ja«, sagte die Frau. Sie hörte gar nicht richtig zu, sie wollte selbst weiterreden. In der Hand hielt sie eine der Kopien mit dem gestochen scharfen Foto des Betrügers, dieses geleckten Scheißkerls. »Sehen Sie«, sagte sie und tippte mit dem glitzernden roten Fingernagel auf das Papier, »das ist Dr. Dana Halter. Und Sie können darauf wetten, daß er für seinen Titel keine Doktorarbeit schreiben mußte.«
    Er wußte, daß er zu Digital Dynasty fahren, sich unauffällig hineinschleichen und an Kade weiterarbeiten mußte, aber er konnte Dana nicht allein lassen. Die Nachrichten waren ausschließlich schlecht. Nein, hatte die Beraterin gesagt, die Stadt sei nicht haftbar für die Abschlepp- und Verwahrungsgebühren, und die Polizei sei bei ihrer Verhaftung durchaus im Recht gewesen, denn ihre Hauptidentifikatoren seien dieselben wie die des Diebs, und sie könne natürlich ein Verfahren anstrengen, aber das habe praktisch keine Aussicht auf Erfolg. Die Abschlepp- und Verwahrungsgebühren könne sie natürlich vor dem Gericht für Bagatellfälle geltend machen, aber da komme es ganz auf den Richter an. Bridger wollte bei Dana sein, und sei es nur, um Pizza zu essen und vor dem Fernseher zu sitzen, während sie sich durch die Hausarbeiten kämpfte. Worauf es dann auch hinauslief. Sie fuhren in ihrem Wagen zu Danas Wohnung, und während er die Pizza (extragroß, halb Hähnchen und Knoblauch, halb vegetarisch) und zweimal Salat mit italienischem Dressing besorgte, stellte sie die Aktentasche ab und machte sich an die Arbeit.
    Es war kurz nach acht, als das Telefon läutete – oder vielmehr blinkte. Bridger hatte sich ein Glas Chianti eingeschenkt und sah sich eine Wiederholung von Alien an, einen Film, den er schon mindestens zwanzigmal gesehen hatte (Dana gefiel der letzte Satz des Trailers: Im Weltall hört dich niemand schreien ), und versuchte, die Schuldgefühle gegenüber Digital Dynasty zu unterdrücken. Er hatte die Füße auf den Couchtisch gelegt, das fünfte Stück Pizza hatte das Loch in ihm gestopft, und er freute sich, daß er den Ton so laut aufdrehen konnte, wie er wollte, ohne befürchten zu müssen, daß er Dana störte. Ab und zu, wenn das Wesen sich mit peitschendem, verschwommenem Schwanz zurückzog oder in Großaufnahme zu sehen war, unter den donnernden Klängen der Musik, die das Ende eines weiteren ahnungslosen Crewmitglieds ankündigte, blickte er sich zu Dana um. Sie saß am anderen Ende des Zimmers an ihrem Schreibtisch. Das weiche Licht der Lampe erfaßte ihr Gesicht, wenn sie sich, den roten Stift in der Hand, vorbeugte, und ließ es wieder los, sobald sie sich aufrichtete. Die Ordnung war wiederhergestellt, endlich herrschte Frieden – abgesehen natürlich von dem Wesen, das jetzt seinen Speichelfluß und die zahlreichen Gelenke seiner Kiefer vorführte. Ja, und dann blinkte das Telefon.
    Dana sah auf. »Gehst du mal dran?«
    Er hob die gekreuzten Füße vom Tisch, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden – es kam eine Werbepause, ein harter Schnitt von speicheltriefenden Zähnen zum nackten Hintern eines Babys, ohne jede Ironie, ohne einen Hauch von Sensibilität –, stand auf und ging zum Telefon. Wie die meisten Gehörlosen hatte Dana ein Schreibtelefon, an das sie auch ihr Handy anschließen konnte und mit dem

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