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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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denn er hatte eine flinke Zunge und schnelle Hände und Füße. Mit Sechzehn besaß er den schwarzen Gürtel und verpaßte Hanvy Richards, dem einzigen in der Schule, der sich mit ihm anlegte, einen dreifachen Nasenbeinbruch. Er war also Peck Wilson, und er ging aufs Gemeindecollege, machte nach zwei Jahren den billigsten Abschluß, stieg bei Fiorentino in seiner Heimatstadt Peterskill in Northern Westchester vom Laufburschen zum Verkäufer und schließlich zum Geschäftsführer auf und kam herum, nach Maui und Stowe und Miami. Er probierte Frauen aus wie Drinks und Kochrezepte: immer eifrig, immer wißbegierig. Mit Fünfundzwanzig kannte er sich aus.
    Ja, und dann lernte er Gina kennen, und von da an ging’s in die Scheiße. Oder nein: Um ihr gerecht zu werden, ihr und ihrem phantastischen Körper und der gepiercten Zunge, die nach ihren Nelkenzigaretten schmeckte und ihm einen Ständer machte, wenn er nur daran dachte, mußte man sagen, daß sie ihn nicht einfach in die Scheiße geritten hatte – nein, es war eine regelrechte Schrei-wenn-du-kannst-Achterbahnfahrt in ein riesiges Bassin voller Scheiße gewesen. Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Er wollte an Natalia denken, die Frau aus Jaroslawl, die nie von irgend etwas genug bekam, die unermüdliche Käuferin, die Restaurantkoryphäe und Schlafzimmerexpertin mit der rauchigen Stimme und dem abgehackten russischen Akzent, der ihn immer ganz heiß machte, und an ihre kleine Tochter, ein Andenken an den Kerl, der sie rübergeholt und ihr Papiere besorgt hatte, einen älteren Mann, den sie nie gemocht, geschweige denn geliebt hatte.
    Sie saßen jetzt im Wagen, in dem Z-4, den er ihr gekauft hatte (ein schwarzes Cabrio mit Drei-Liter-Motor und Sechsganggetriebe), der Kofferraum war randvoll mit Smart-Mart-Zeug, und Madison rekelte sich auf Natalias Schoß. »Warum müssen wir so schnell gehen?« sagte Natalia und sah ihn über den Kopf ihrer Tochter hinweg an. Als er nicht gleich antwortete, weil er mit der Verpackung einer der CD s kämpfte, die er eingesteckt hatte, während sie einkaufte (die neue Hives , ein Greatest-Hits-Sampler von Rage Against the Machine und ein paar Reggae- CD s, nach denen er schon lange gesucht hatte), erhob sie in der Dunkelheit die Stimme und sagte: »Dana? Hörst du mir zu?«
    Er liebte es, wie sie seinen Namen sagte oder vielmehr den Namen, unter dem sie ihn kannte: tief auf der ersten Silbe, kurzes Verharren beim n und dann ein hohes, glockenhelles ah . Er legte die CD auf den Schoß und nahm ihre Hand. »Ich weiß auch nicht«, sagte er. »Ich dachte einfach, du möchtest vielleicht irgendwohin, wo es schöner ist, in dieses Fischrestaurant zum Beispiel. Du hast doch bestimmt Hunger.«
    Ihre Stimme war ein körperloses Schweben, scheu, kokett: »Maggio? Am Tiburon Boulevard?«
    »Ja«, sagte er und mußte ihre Hand loslassen, um herunterzuschalten. »Ich meine, wenn du nicht zu müde bist.« Er warf ihr einen Blick zu. »Oder Madison. Sie könnte im Wagen schlafen – ich meine, sie ist fix und fertig.«
    Sie schwieg einen Augenblick. Der Motor sang sein schönes Lied, als er in der Kurve beschleunigte. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Zu viele Touristen, nicht? Jetzt schon so viele Touristen. Wie wär’s mit...« Sie nannte den Namen des teuersten Restaurants in Sausalito.
    »Ich hasse diesen Laden. Das ist doch alles bloß aufgemotzt. Und die Ober sehen aus, als hätten sie einen Stock im Hintern.« Er dachte an das letzte Mal, als sie dort gewesen waren, an den Gesichtsausdruck von diesem schwulen Affen mit dem gebleichten Haar, und er hatte den Namen des Weins falsch ausgesprochen: Er hatte einen Meursault bestellt wie schon zuvor, schon oft zuvor, aber er war eben kein Franzose.
    »Mir gefällt es.«
    »Mir nicht. Da gehe ich nicht mehr hin. Wir gehen zu Maggio. Und ich bin am Steuer.«
    Unter ihm schnurrte der Wagen, alles – von der ersten bis zur letzten Schraube und Mutter – war perfekt aufeinander abgestimmt. Deutsche Ingenieurskunst. Er fühlte sich unschlagbar. Er versuchte, eine der Reggae- CD s aus der Verpackung zu nehmen – eine alte Burning-Spear-Aufnahme, die sein Zellengenosse immer gespielt hatte –, und gab sie dann Natalia. »Wie wär’s, wenn du das mal machen würdest?« sagte er, und sie hauchte mit ihrer schönen, rauchigen, arrhythmischen Stimme: »Natürlich, klar, kein Problem, Schatz. Und Maggio ist gut, wirklich...« Die Lichter huschten vorbei, von der Bay zog der Nebel herauf, und

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