Talk Talk
Ordnung, Dr. Halter?« fragte einer der Barmänner, doch er ignorierte ihn. Und anscheinend hob er sie zu heftig hoch, denn sie fing gleich wieder an zu heulen, und er klemmte sie sich einfach unter den Arm und brachte sie zu Natalia, wie etwas, was er im Dschungel gefangen und gefesselt hatte, und sie lachten über ihn, er spürte es, sie alle lachten über ihn.
Auf der Herrentoilette war bloß ein weißhaariger alter Furz, der seine fetten roten Hände so vorsichtig abtrocknete, als fürchtete er, die Haut könnte sich ablösen. Peck sah ihn mit so viel Haß und kaum beherrschbarer Wut an, daß er rückwärts entfloh wie eine Krabbe. Die Tür schloß sich, und er war allein mit Marmor, Blumensträußen und einem Geruch nach druckfrischem, pulverisiertem und in der Raumluft verteiltem Geld. Und was war das? Aus den Lautsprechern kam – Opernmusik! Lange starrte er in den Spiegel, mit leerem Blick und ohne Wiedererkennen, als hätte er weder diesen Raum noch sich selbst je gesehen. Dann wurde ihm bewußt, daß er noch immer das Handy in der Hand hielt, Natalias Handy, das sechzehn Stunden täglich an ihrem Ohr klebte, wenn sie Gebühreneinheiten verfeuerte, indem sie mit ihrer Schwester in Rußland sprach oder mit ihrem Bruder in Toronto oder mit ihrer besten Freundin Kaylee, deren Tochter in derselben Vorschule wie Madison war. Das Handy. Er hielt es in der Hand und starrte es an, als hätte er noch nie zuvor ein Handy gesehen, als hätte er nicht den Vertrag unterschrieben, der ihm tausend Freiminuten zusicherte, als hätte er es noch nie als Erweiterung seiner Person benutzt, wenn er den aktuellen Stand eines Spiels wissen, eine Wette abschließen oder irgendwas besorgen wollte, damit der Nachmittag noch angenehmer wurde, ein Nachmittag, an dem er nichts weiter zu tun hatte, als auf der hinteren Terrasse in der Sonne zu sitzen und Natalias makellosen, gebräunten Bauch und ihre wunderschönen Beine zu betrachten, denn wieviel Sex kann man haben, bevor man blind und taub wird und einem der Schwanz abfällt?
Er hörte jemanden an der Tür – noch so ein Weißkopf – und sagte: »Einen Moment noch, verdammt noch mal! Kann ich mal für eine Minute ungestört sein – ist das vielleicht zuviel verlangt?« Er öffnete die Hand und schlug das Handy an die marmorverkleidete Wand, er schlug und schlug, bis fast nichts mehr davon übrig war, und dann warf er die Teile auf den Marmorboden und stampfte mit den Absätzen darauf herum.
Später, als sie zu Hause waren und Natalia Madison ins Bett gebracht und es sich vor dem Fernseher bequem gemacht hatte (»War alles zu Ihrer Zufriedenheit, Dr. Halter? Soll ich die Reste einpacken lassen, für Ihren Hund?« – »Nein, nein, was soll’s? Geben Sie’s irgendeinem Obdachlosen«), ging er mit einer Flasche Bier in das Gästezimmer, das er als Büro benutzte, und schaltete den Computer ein. Auf der Website vom T-M gab er sein Paßwort ein und sah sich sein Konto an: ACHTUNG! ÜBERFÄLLIGER BETRAG! SPERRE STEHT UNMITTELBAR BEVOR ! Er war träge geworden oder unvorsichtig oder wie immer man das nennen sollte, und jetzt hatte er alles aufs Spiel gesetzt, und das war einfach nur dumm, dumm, dumm. Seit über einem Jahr hatte er darauf geachtet, alle Konten auf den Namen Dana Halter ausgeglichen zu halten, damit so etwas nicht passierte, aber er hatte gerade ein kleines Cash-flow-Problem – das Haus, der neue Wagen, Natalia am Telefon und im Einkaufszentrum und beim Friseur und bei Jack und Emilio und so weiter –, und alles war ein bißchen aus dem Ruder gelaufen. Jetzt waren sie ihm auf der Spur. Herrgott, der bloße Gedanke daran machte ihn so fuchsteufelswild, daß er sich nur mit Mühe beherrschen konnte, den Monitor zu packen und aus dem Fenster zu werfen, weil das Ding ihm nicht verriet, was er wissen wollte. Er starrte auf den Bildschirm, auf die Auflistung seiner getätigten und empfangenen Gespräche – ihn interessierten vor allem die empfangenen –, aber dort waren nur die Verbindungen während des letzten Abrechnungszeitraums aufgeführt. Er brauchte die Nummer. Die Nummer von diesem Schweinskopf Dana Halter – oder dem Bullen oder Privatdetektiv oder was immer dieses Arschloch Rick James war –, und er würde nicht warten, bis die Rechnung kam, und er würde nicht zur örtlichen Filiale von T-M gehen und sie bezahlen. Nein, er würde sich auf den Namen irgendeines anderen Idioten ein neues Handy besorgen, und niemand würde es merken, außer vielleicht
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