Talk Talk
Taler aus Hackfleisch oder Gott weiß was, der zwischen den fettgetränkten Brötchenhälften lag, ohne Ketchup, ohne Senf, ohne Zwiebeln, interessierte sie nach dem ersten Bissen und dem ersten Schluck offenbar nicht mehr. Ginas Mutter kam regelmäßig zu spät. Peck saß in seinem Mustang und sah alle zehn Sekunden auf die Uhr. Der Laden war voller Kinder, doch sein Kind war nicht darunter, und wenn Ginas Mutter dann endlich erschien, entschuldigte sie sich nie, ja, sie begrüßte ihn nicht mal, sondern übergab ihm seine Tochter, als wäre er ein Kinderschänder. Haßte er diese Frau, die sich das Gesicht liften und das Fett hatte absaugen lassen, die Frau mit der Betonfrisur und der Art, ihr Gesicht zu verschließen und den Schlüssel wegzuwerfen, als wäre es eine Folter, ihn auch nur anzusehen? O ja, er haßte sie. Und er haßte Gina für das, was sie ihm angetan hatte. Ebenso wie das Großmaul – es reichte schon, seine Stimme am Telefon zu hören, diese nervende, Kommandostimme, mit der er endlos über die Speisekarte im Pizza Napoli und über die Bücher sprach, und immer lief es darauf hinaus: Du bietest den Leuten nicht, was sie wollen. Und weißt du auch, warum? Weil du nicht flexibel bist. Du bist dabei, das Ding an die Wand zu fahren. Totalschaden. Also mach was. Ganz zu schweigen von Stuart Yan, der eine Zivilklage gegen ihn eingereicht hatte. Irgendwann mußte der Knoten einfach platzen. Sogar ein Heiliger wäre unter diesem Druck zerbrochen, und er hatte nie behauptet, einer zu sein.
Es war an einem Sonntag. Er wartete in seinem Wagen vor McDonald’s, las die Sportseite, sah zu, wie sich die Blätter verfärbten und der Zeiger der Uhr vorrückte: neun, halb zehn, zehn. Ginas Mutter kam nicht. Sein erster Gedanke war, hinauszufahren und irgend etwas kaputtzumachen, diese Zicke zur Rede zu stellen, das Haus abzureißen, wenn es sein mußte, aber er unterdrückte diesen Impuls: Das würde ihn nur ins Gefängnis bringen. Wieder sah er auf die Uhr. Ein Typ kam aus dem Lokal, eine Null, ein Niemand in Shorts und Flip-Flops, aber er hatte seine beiden Kinder an der Hand, und sie waren eine glückliche Familie. Sie trugen ihre Egg McMuffins in einer Tüte, und vor ihnen lagen der Park oder ein Footballspiel oder vielleicht ein kleiner Ausflug flußaufwärts, um zu sehen, wie sich das bunte Herbstlaub vor dem Hintergrund des Flusses ausnahm. Am liebsten hätte Peck angerufen, aber auch das war gegen die Regeln. Um elf war ihm übel vor Wut, und er gab das Warten auf und fuhr zurück zur Pizzeria, wo er auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht vorfand. Nur damit du Bescheid weißt – die verkniffene Stimme von Ginas Mutter drang wie aus einem Tunnel an sein Ohr –, Sukie kommt heute nicht, und zwar wegen der Ballettaufführung in der Carnegie Hall. Die ganze Familie geht hin.
Er hörte sich die Nachricht zweimal an. In seinem Büro an der Rückseite des Gebäudes stand er vor dem Telefon und versuchte sich zu beherrschen. Die Wände waren fleckig. Es roch nach Marinarasauce, ein dunkler, alter Geruch, vermischt mit dem des Öls, in dem die Peperoni eingelegt waren, und dem Gestank des Käses, der sich in die Wände des Ofens eingebrannt hatte. Sie dachten, sie hätten ihn geschafft, ihn aus dem Bild gedrängt, aus der Gleichung entfernt, sie dachten, bald wäre er ganz verschwunden. Das dachten sie, aber sie täuschten sich. Er hätte seinen Anwalt anrufen, den Tanz von vorn beginnen und vor Gericht ziehen können, hatte aber das Gefühl, daß das nichts bringen würde – die anderen hatten ja auch einen Anwalt. Bisher hatte er sich an die Regeln gehalten, aber jetzt galten sie nicht mehr.
Gleich am nächsten Morgen rief er die Telefongesellschaft und die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke an, gab sich als John Marchetti aus und ließ sämtliche Dienste einstellen. Im Postamt stellte er einen Nachsendeantrag. Danach rief er bei American Express und Visa an – mit diesen beiden Karten hatte er das Großmaul bezahlen sehen – und behauptete, er habe seine Brieftasche verloren und wolle umgehend und per FedEx neue Kreditkarten haben. Als diese in dem Postfach waren, das er angemietet hatte, begann er, alles mögliche zu bestellen und an die Adresse 1236 Laurel Road liefern zu lassen: eine neue Waschmaschine mit Trockner, einen antiken Billardtisch mit Schieferplatte, der über tausend Pfund wog, ein Paar reinrassige Dalmatiner, ein Deluxe-Jacuzzi mit vierzehn Luftdüsen, in dem bequem sechs Personen
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