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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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auf ein gebuttertes Blech legte und zum Bräunen für drei Minuten in den Ofen schob, brannte er darauf, Natalia den Wagen zu zeigen, ihn ihr vorzuführen und den Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen. So hatte er es geplant – erst der Wagen, der Rausch des Neuen, vielleicht eine kleine Runde um den Block oder über die Brücke, und dann die Neuigkeiten: An der Ostküste gab es geschäftliche Perspektiven für ihn. Aber es würde auch ein Urlaub sein, sie würden sich die Sehenswürdigkeiten ansehen. Hatte sie nicht immer schon in New York leben wollen? Das hatte sie doch gesagt, oder? Ein Leben in New York?
    Er war von den zischenden Töpfen und den aufsteigenden Aromen so in Anspruch genommen, daß er Natalia nicht hereinkommen hörte. Da war Madison, die schmollend am Tisch saß, da waren die Terrasse und der leere Liegestuhl, und hier war Natalia, die ihm die Arme um die Taille legte. »Was ist diese Überraschung?« murmelte sie verführerisch, die Lippen ganz nah an seinem Ohr. »Sag mir. Ich kann kaum aushalten.«
    Er stellte das Gas ab, rüttelte vorsichtshalber den Topf mit den Zucchini und drehte sich zu ihr um. Seine Hände hoben sich zu ihren Schultern, und er drückte sie für einen langen Kuß an sich, während Madison sie mit gespieltem Abscheu beobachtete. »Wirst du schon sehen«, sagte er leise, und in diesem Augenblick fühlte er sich ihrer sicher, ihrer Berührung, ihres Geschmacks, ihres Dufts – sie war seine Partnerin, seine Geliebte, die dunkle, erotische Gegenwart in seinem Bett. »Sobald wir gegessen haben.«
    »Ooohh«, sagte sie gedehnt, »so lange noch?« Und dann, zu ihrer Tochter: »Es gibt eine Überraschung, Madison. Für Mama. Magst du Überraschungen?«
    Nach dem Essen – Madison aß zwei Bissen Gnocchi und eine halbe Scheibe Kalbfleisch, übersah das Gemüse jedoch konsequent – ging er mit den beiden die Vordertreppe hinunter und über den gekiesten Weg, der an der Bay entlangführte. Er hielt sie an den Händen, Natalia rechts, Madison links. Madisons Finger fühlten sich an wie damals Sukies. Sie war allerdings nicht bereit, richtig zuzugreifen, denn ihre Laune hatte sich noch nicht gebessert, und angesichts der Umstände – die Überraschung war nicht für sie bestimmt, jedenfalls nicht in erster Linie – hätte es wie ein Zugeständnis gewirkt. »Was ist es denn, Dana?« fragte sie immer wieder mit hoher, quengeliger Kleinmädchenstimme. »Sag doch, was ist es denn?«
    »Ja, Da-na«, fiel Natalia ein. »Ich bin in Spannung. Ist es hier, draußen? Irgend etwas draußen?«
    Er antwortete nicht gleich. Er dachte an Sukie, an das letzte Mal, daß er sie gesehen hatte, ein paar Tage nach seiner Entlassung. Sie saßen bei McDonald’s, am selben Ort, zur selben Uhrzeit, aber sie war nicht mehr das Mädchen, das er gekannt hatte. Das lag nicht nur an der körperlichen Veränderung – sie war ein Jahr älter und größer, zwei Schneidezähne fehlten, das Haar wurde von einer schildpattfarbenen Spange gehalten, so daß sie wie eine Erwachsene im Miniaturformat aussah –, sondern auch an der Art, wie sie ihn ansah. Ihre Augen, rehbraun und so rund wie Vierteldollarmünzen, Augen, die ihn immer offen und unverstellt angesehen hatten, waren jetzt argwöhnisch und zu Schlitzen verengt gegen das Gleißen der Sonne, gegen ihn. Er sah das Gift, das Gina eingeträufelt hatte und für das es kein Gegenmittel gab: Er konnte nichts tun, um sie zurückzugewinnen, ganz gleich, wieviel Schokoladensauce er auf ihr Eis geben ließ, ganz gleich, wie verzweifelt er sie umarmte oder die alten Geschichten und Spielchen wiederzubeleben suchte. Sie war für ihn verloren. Er konnte sich nicht mal mehr erinnern, wann sie Geburtstag hatte. »Nein«, sagte er schließlich und beugte sich gegen den Zug von Natalias Hand hinunter, bis sein Kopf auf der Höhe des Gesichts ihrer Tochter war, »es ist drinnen.«
    Alle drei blieben stehen. Madison zog die Nase kraus. »Und warum sind wir dann draußen?«
    »Weil das ein anderer Weg zu unserer Garage ist. Ein hübscher Spaziergang, nicht? Ist es nicht schön hier draußen – ein bißchen frische Luft nach dem Abendessen?« Er richtete sich auf, während sie seine Hand losließ und über den Rasen rannte; kurz bevor sie das Garagentor erreicht hatte – unbehandeltes Holz, das durch Sonne und Seeluft grau geworden war und dadurch viel natürlicher wirkte –, drückte er auf den Knopf der Fernbedienung, und das Tor schwang wie von Zauberhand bewegt auf.
    »Ist

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