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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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will nicht aufgeben. Ich bin bloß hungrig. Es war ein langer Tag, findest du nicht? Können wir uns nicht einfach für eine halbe Stunde hinsetzen, einen Big Mac und einen Fisch-Mac essen? Nein, nein, vergiß die Kalorien und das Cholesterin und die ungesättigten Fettsäuren und laß uns einfach nur essen. Und alles gut durchdenken. Wir sind nah dran, ich weiß, und du hast recht, wir können diesen Scheißkerl festnageln, aber laß uns kurz Pause machen und nachdenken, okay? Und was essen.«
    Er wußte nicht, wieviel sie verstanden hatte. Das wußte er nie, aber er war sich seiner Lippen und seiner Zunge immer bewußt und glaubte, daß sie kommunizierten. Und so war es auch jetzt. Sie saßen im gelben und roten Schein des großen M, und sie warf mit einem energischen Rucken des Kinns das Haar aus dem Gesicht. Ihre Augen verengten sich. Ihre Stimme war so leise, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen: »Sie hat gelogen.«
    Und da waren sie nun.
    Sie deckten sich mit Fett, Zucker und Nitraten ein, und Dana war so ungeduldig, daß sie beinahe aus den Schuhen sprang, während er die Bestellung aufgab und bezahlte, und als er sagte, er müsse mal auf die Toilette, sah sie ihn an, als wäre er ein Pädophiler. Und wenn wir ihn nun verpassen? gebärdete sie. Wenn er jetzt gerade nach Hause kommt? In diesem Augenblick? Im Wagen, die braune Tüte mit dem noch unberührten Fisch-Mac auf dem Schoß, sagte sie: »Du weißt, daß er da ist, du weißt es, und wenn er vorhin nicht da war, dann wird er irgendwann zurückkommen, und wir brauchen nur dazusitzen und zu warten, Tag und Nacht, die ganze Woche, wenn es sein muß. Und wir werden mit dem Fernglas die Fenster beobachten, bis wir ihn sehen. Zweifelsfreie Identifizierung – so heißt das doch, oder? Und dann haben wir ihn. Wenn wir ihn sehen, ist er« – einer ihrer Lieblingsausdrücke – »im Arsch.«
    Aber sie hatten ihn nicht gesehen. Als sie zu der Wohnanlage zurückkehrten – sie waren nicht länger als eine halbe oder Dreiviertelstunde fort gewesen –, waren die Vorhänge zugezogen und blieben es auch für den Rest der Nacht, obgleich die Lichter lange brannten, sehr lange. So lange, daß sie das letzte waren, an das Bridger sich erinnerte, in sein Bewußtsein gebrannt wie das Nachbild einer ganzen Batterie von gleichzeitig aufflammenden Blitzlichtern. Bridger sah auf. Der Nebel trieb vorbei, bauschte sich, verbarg und enthüllte. Die anderen Wagen waren dunkle Buckel, die Bäume waren ausgelöscht. Die Fenster dort drüben – Frank Calabreses Fenster – waren noch immer erleuchtet, perfekte Rechtecke, ausgeschnitten aus dem Schatten von etwas Größerem.
    Als unterhalb des erleuchteten Fensters endlich das Garagentor erkennbar wurde und als es sich dann unvermittelt, abrupt und lautlos hob und die Rücklichter eines Wagens zu sehen waren, die wie eine visuelle Beleidigung aufleuchteten, glaubte Bridger zu träumen. Es war wie ein Trompe-l’œil: Eben war da noch die glatte Fläche des Tors gewesen, und nun war es verschwunden. Hatte er Halluzinationen? Aber nein, da war das Heck eines Wagens, eines Mercedes mit Händlerkennzeichen. Die Abgase, die aus dem Auspuffrohr strömten, vermischten sich mit dem Nebel, und jetzt leuchteten die Bremslichter auf, und das Ding setzte sich rückwärts in Bewegung. Er rüttelte Dana. Er schob sie von sich, nahm ihren Kopf in beide Hände und bewegte ihn auf dem zarten Stativ ihres Halses, als gehörte er ihm, als wäre er irgendein Instrument, das er gefunden hatte und nun in Stellung brachte. Da , sagte er, da.
    Ihr Haar, ihre Augen, der abgestandene Geschmack des Schlafs auf ihrer Zunge – das alles war unwichtig. Sie war sofort hellwach, aufgetaucht aus tiefen Tiefen. Ihr Körper war angespannt, sie setzte sich auf und starrte mit offenem Mund angestrengt in den Nebel. Und dann duckte sie sich instinktiv und zerrte ihn ebenfalls hinunter. Ihre Stimme klang stumpf und gestaltlos, zu unvermittelt zur Arbeit gezwungen. »Das ist er!«
    Der Mercedes setzte aus der Einfahrt, die Hinterräder schwenkten nach links, als der Fahrer das Lenkrad drehte, und da war eine Gestalt am Steuer, wegen der Nebelschwaden und der Windschutzscheibe nur undeutlich zu erkennen. War das überhaupt ein Mann? War er es? Bridger saß da wie versteinert. Er war auf dem Fahrersitz so tief hinuntergerutscht, daß sein Kinn sich auf Höhe der Armlehne befand. Adrenalin wurde ausgeschüttet – dies war ein Versteckspiel –, und dann fuhr

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