Talk Talk
der Mercedes geradeaus und glitt in traumhafter Lautlosigkeit die Einfahrt hinauf, und da war er, unverkennbar, der Dieb, der Schweinehund, und sah mit gerecktem Kinn auf die Straße, und neben ihm saß die Frau, die Lügnerin. Bridger sah den über die Betonschwellen hüpfenden Rücklichtern starr nach, und dann war Danas Hand auf seinem Handgelenk, und ihre Stimme hämmerte mit unmodulierter, hyperventilierender Dringlichkeit auf ihn ein: »Hin-ter-her! Hin-ter-her!«
Die Bremslichter verschwanden bereits im Nebel. Die Hand am Zündschlüssel zitterte. Einmal, zweimal, dann sprang der Motor an, und er stellte den Hebel auf Rückwärts, schoß aus der Parklücke und fuhr schlingernd zur Ausfahrt. Als er das Licht einschalten wollte, war ihre Hand da, und ihr Gesicht schob sich in sein Blickfeld: »Nein, nein, kein Licht, kein Licht!«
Es herrschte fast kein Verkehr, und das war gut, denn Bridger war so auf die Rücklichter des Mercedes fixiert, daß er nicht mal flüchtig zur Seite sah, als er auf die Straße einbog. Er trat aufs Gaspedal. Die Räder drehten durch, bis die Reifen zirpend griffen, und dann kam das vertraute Gefühl der Beschleunigung, der plötzlichen Schwere des Körpers. Zwei rote Punkte. Er jagte zwei rote Punkte. Der Nebel teilte sich, schwankte und löste sich auf, und dann war er wieder da, und Bridger hatte Mühe zu erkennen, wo der Asphalt endete und die Böschung begann, der Straßengraben. Das wär’s doch – von der Straße abzukommen, so daß ein Reifen platzte oder eine Achse brach oder sie einen Baum rammten, einen ganzen Wald! Dana sagte etwas, so aufgeregt, daß sich die Worte überschlugen, und sie bewegte die Hände wie Signalflaggen, aber er konnte nur irgendwie weiterfahren – kein Licht, kein Licht –, und die beiden roten Punkte waren das einzige, woran er sich orientieren konnte.
Die Straße machte eine weite Kurve nach rechts und dann eine enge nach links. Die Lichter verschwanden kurz und erschienen wieder. »Abstand!« sagte Dana. Das also sagte sie die ganze Zeit: »Halt Abstand!«
Seine eigene Stimme war gepreßt, und der Ton – abrupt, heftig – erschreckte ihn. »Das tue ich doch, verdammt! Was meinst du denn, was ich tue?« Und dann, während er das Lenkrad herumriß: »Ich sehe nichts. Scheiße! Verdammte Scheiße! Willst du vielleicht im Graben landen?«
Doch da wurden die Rücklichter mit einemmal größer, genau vor ihnen, und er trat mit voller Kraft auf die Bremse: Es war ein Stoppschild, das verschwommen im Nebel auftauchte, und der Mann im Mercedes beachtete die Verkehrsregeln und hielt an, obwohl weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen war. Und Dana, nicht angeschnallt, fiel nach vorn wie ein Sack Kartoffeln. Das Geräusch, mit dem ihr Kopf an die Windschutzscheibe schlug, war wie ein Donnerschlag, eine Explosion. Er hörte sich fluchen, als die Räder auf dem feuchten Asphalt blockierten und der Wagen ins Schleudern geriet. Die Rücklichter des Mercedes entfernten sich jetzt, verschwammen im Nebel, und er wollte sagen: »Alles in Ordnung?«, aber sie hätte ihn ja ohnehin nicht gehört.
Der Wagen war wieder in Bewegung. Sie waren noch auf der Straße – auf der falschen Spur, aber immerhin auf der Straße. Er warf einen kurzen Blick auf Dana und sah Blut, kurz unterhalb des Haaransatzes, einen frischen, nassen Streifen, aber sein Fuß trat auf das Gaspedal, er konnte nicht anders, und sie preßte beide Hände an den Kopf, so daß er weder ihre Augen noch die Wunde sehen konnte, und ließ ihre Stimme los: »Fahr!«
Es waren noch andere Wagen unterwegs. Sie wurden an Ketten aus Licht vorwärts gezogen und bewegten sich wie U-Boote in einem umgestalteten Meer. Das Lenkrad fühlte sich schwer an. Er hörte das gedämpfte Zischen der Reifen, sein Herz klopfte noch immer wie wild, im Rückspiegel glommen zwei gelbe Nebelscheinwerfer, und vor ihnen war der Mercedes. Er hatte Dana sicher zwanzigmal gefragt, ob alles in Ordnung sei, ob sie einen Arzt brauche, ob er zu einem Krankenhaus fahren solle, doch sie sah ihn nicht an. Ihre Augen waren starr auf den Mercedes gerichtet. Sie hatte sich angeschnallt und ein T-Shirt aus ihrer Reisetasche gezerrt, das sie auf die Wunde preßte; wenn Bridger sie ansah, sah er nur das T-Shirt, und es war nicht mehr weiß. Dort, wo sie gegen die Windschutzscheibe geprallt war, stand jetzt ein kristallener Stern, ein Gespinst aus dünnen Linien, die alle von einem Punkt ausgingen und das Licht in sein Prisma
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