Tallinn-Verschwörung
Richtung gelaufen sind.« Torsten log in der Hoffnung, dass Wagner nach dem Verschwinden des Geländewagens alles in Bewegung setzen würde, um das Geheimnis aufzudecken.
Zwar klang das durchaus schlüssig, doch Mazzetti schenkte Renks Worten keinen Glauben. »Weshalb sind Sie hierhergekommen? «
»Weil mich Ihre Leute gefangen genommen und hierher gebracht haben!«
Bei der Antwort kniff Mazzetti die Augenlider zusammen. Obwohl der Deutsche völlig zerschlagen wirkte, brachte er immer noch einen gewissen Humor auf.
»Sind Sie Feiling und Hoikens gefolgt?«, kam die nächste Frage.
»Das überlasse ich Ihrer Phantasie!« Torsten wusste, dass er dieses Verhör nicht mehr lange würde durchstehen können, und stöhnte erneut. »Ich brauche einen Arzt!«
»Ich schicke Ihnen unseren Truppenarzt, sobald Sie mir gesagt haben, was ich wissen will.«
»Dann sagen Sie mir, was Sie von mir wollen!« Torsten fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse.
Mazzetti wurde langsam wütend. »Du hältst dich wohl für einen ganz harten Brocken, was? Wahrscheinlich bist du es sogar, sonst wäre Hoikens bei deinem Anblick nicht so ausgerastet. Aber wir bringen dich schon zum Singen!«
Er versetzte Torsten einen leichten Schlag und wandte sich dann zum Gehen. »Die beiden Gefangenen bekommen heute nichts zu essen. Wasser gibt es auch keins mehr, bis der Kerl bereit ist zu reden.«
»Sie sind ein Schuft!« Es fiel Torsten nicht schwer, empört zu wirken, und er wies mit einer verzweifelt wirkenden Geste auf Graziella.
»Geben Sie wenigstens der Frau etwas.«
»Erst wenn Sie vernünftig geworden sind und uns berichten, wieso Sie hier aufgetaucht sind und was man bei Ihren Truppen über uns weiß.«
Mazzetti grinste zuversichtlich, denn wie es aussah, hatte er die Schwachstelle des Deutschen gefunden. Sobald die Frau vor Durst wimmerte, würde Renk ihm alles erzählen, was er wusste. Mit diesem Gedanken verließ er den Raum und befahl den beiden Wachen, niemanden zu den Gefangenen zu lassen.
»Auch Don Pietro und diesen Archivar nicht?«, fragte einer der Männer verwundert.
»Ich sagte: niemanden!« Mit diesen Worten kehrte Mazzetti den beiden den Rücken und ging.
Als Mazzetti die Tür ins Schloss zog, rutschte Torsten auf Händen und Knien hin, legte das Ohr auf das Türblatt und vernahm den Befehl des Italieners. Zufrieden lächelnd registrierte er, dass die Kirchlichen und die Faschisten wohl doch keine so guten Freunde waren. Nur half ihm dieses Wissen derzeit wenig. Zunächst musste er sich etwas einfallen lassen, wie er und die Frau aus diesem Kerker herauskommen konnten. Das aber war eine Sache, die sein derzeitiges Denkvermögen überstieg.
ZEHN
A ls Mazzetti das Büro des Generals betrat, hatte Hoikens sich wieder beruhigt. Er lehnte am Schreibtisch, ein Glas Grappa in der Hand, und studierte eine Landkarte der Umgebung.
»Und? Hat Renk das Maul aufgemacht?«
Mazzetti schüttelte den Kopf. »Kein Wort! Allerdings habe ich ihn noch nicht richtig verhört.«
»Dann sollten Sie ihn hart anfassen. Ich bin mir sicher, dass er nicht aus Zufall hier aufgetaucht ist!«
»Sie hätten ihn nicht zusammenschlagen sollen. Jetzt ist er so erledigt, dass er wegkippt, wenn man ihn nur anhaucht«, antwortete Mazzetti verärgert.
Hoikens wandte sich mit einer energischen Handbewegung an Ghiodolfio. »Können Sie ein paar Raketen auf das deutsche Hauptquartier in Prizren abschießen lassen, aber nicht von hier aus, sondern aus einer ganz anderen Richtung? «
Mazzetti stieß erschrocken die Luft aus den Lungen. »Wollen Sie, dass wir Krieg gegen die deutschen Truppen im Kosovo führen?«
»Seien Sie still!« Im Gegensatz zu seinem Untergebenen hatte Ghiodolfio begriffen, worauf Hoikens hinauswollte. »Das sollte möglich sein. Wir haben auch Freunde auf der anderen Seite der Grenze, die die deutschen Patrouillen in ihrem Gebiet beschießen können.«
»Genau das wollte ich vorschlagen. Wenn es um Prizren herum kracht, wird sich keiner um uns und den verschwundenen Panzerwagen kümmern, sondern an einen großen Aufstand denken. Die Albaner im Kosovo sind zumeist Moslems. Wenn wir da ein wenig Salz und Pfeffer in die Suppe streuen, geraten die Deutschen und ihre Freunde sich mit denen in die Haare.« Hoikens’ Finger wanderte über die Landkarte, und er nannte Ghiodolfio die Stellen, an denen seiner Ansicht nach die Überfälle geschehen sollten.
Der Rebellengeneral
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