Tallinn-Verschwörung
Doch jetzt lag sein Feind wehrlos vor ihm, und nur an den flackernden, blauen Augen war zu erkennen, dass der Mann noch lebte.
»Nach dem Endsieg werde ich dafür sorgen, dass überall bekannt wird, was du für ein Versager gewesen bist!« Hoikens kniete neben Torsten Renk nieder und riss dessen Kopf an den Haaren hoch.
»Du bist ein Versager, hörst du! Ich aber werde ein großer Mann sein. Als Oberkommandierender der neuen Deutschen Wehrmacht werde ich das Land bereinigen und all das Gesindel hinauskehren, das dort nicht hingehört.«
»Dann solltest du am besten mit dir selbst anfangen!« Torsten sah Schatten und Schlieren vor den Augen, und er spürte, wie seine Kräfte schwanden, doch diesen Stich musste er Hoikens noch versetzen.
Dieser ließ ihn los und winkte ab. »Damit kannst du mich auch nicht mehr ärgern. Du bist ein Versager, Torsten Renk, und ich werde dafür sorgen, dass alle es erfahren!«
Und du bist ein Schwätzer!, fuhr es Torsten durch den Kopf, dann wurde es schwarz um ihn.
NEUN
A ls Torsten wieder zu sich kam, lag er auf einer alten Matratze. Graziella war bei ihm und tupfte ihm das Blut vom Gesicht.
Als sie sah, dass er sich regte, schüttelte sie den Kopf. »Dieser Mann ist noch verrückter als der Priester, der meinen Onkel umgebracht hat. Er will die Ministerpräsidenten und Premierminister Europas in die Luft sprengen. Das schafft er niemals!«
Torsten, der Hoikens besser kannte, stieß zischend die Luft aus. »Das traue ich diesem Schwein durchaus zu!«
Er richtete sich mühsam auf und betastete sein Gesicht. »Gebrochen ist nichts. Dabei war ich fest der Ansicht, es hätte mein Nasenbein erwischt.«
»Wie kannst du an dein Nasenbein denken, wenn dieser Schuft so viele Menschen in die Luft sprengen will?«, fuhr Graziella auf.
»Im Moment ist mir mein Nasenbein wichtiger als die Regierungsleute.« Torsten betastete stöhnend seine Rippen, die ebenfalls höllisch schmerzten. »Wohl doch nur geprellt oder angebrochen – aber es hat fast alle erwischt. Vorerst bin ich Matsch. Ich würde nicht einmal mit einem zehnjährigen Jungen fertig, geschweige denn mit den Kerlen, die uns gefangen genommen haben.«
Graziella sah ihn durchdringend an. »Wir müssen fliehen und dieses Verbrechen verhindern!«
»Dagegen hätte ich nichts – aber auch nichts gegen eine Idee, wie wir hier herauskommen. Gibt es hier vielleicht Wasser? Ich könnte einen Schluck vertragen.«
»Hier!« Graziella reichte ihm die Wasserflasche und musste sich dabei zusammennehmen, um sie ihm nicht an den Kopf zu werfen.
Torsten schraubte den Stöpsel ab und trank gierig. Bevor die Flasche leer war, setzte er sie ab und reichte sie mit einem traurigen Blick an Graziella weiter. »Du bist doch schon Gast in diesem Hotel gewesen. Wann gibt es denn etwas zu essen?«
Die junge Frau stampfte wütend auf den Boden. »Gibt es für dich nichts Wichtigeres als dein eigenes Wohlergehen? «
»Doch! Aber hungrig und mit zerschlagenen Knochen tauge ich nicht viel.« Torsten wollte noch mehr sagen, da hörte er, wie draußen der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Sofort sank er wieder auf die Matratze zurück und jammerte zum Gotterbarmen.
»Tut das weh! Einen Arzt! Ich brauche dringend einen Arzt.«
Die Tür ging auf, und Mazzetti steckte den Kopf herein. Neben ihm stand einer seiner Leute mit schussbereiter Maschinenpistole. Als er Renk sah, ließ der Freischärler den Lauf sinken und trat einen Schritt zurück.
Mazzetti hingegen betrachtete Renk eingehend. Der Deutsche war aus dem explodierenden Dingo herausgekommen und hatte es mit Graziella zusammen bis über die Grenze geschafft. Also musste der Mann so stark sein wie ein Bär. Trotzdem hatten ihn die Schläge, die Hoikens ihm versetzt hatte, zu einem wimmernden Bündel gemacht. Für einen Augenblick spürte Mazzetti einen bitteren Geschmack im Mund. Immerhin hatte sein Feldwebel dem Gefangenen eine gute Behandlung zugesagt. Er verscheuchte diesen Gedanken mit einer ärgerlichen Bewegung. Renk war der Verräter, der Hoikens den deutschen Behörden ans Messer geliefert hatte. Da war es verständlich, dass der Sprengstoffexperte seine Rache haben wollte.
»So wie Sie aussehen, sollten Sie lieber den Priester kommen lassen als einen Arzt«, spottete Mazzetti. Dann packte er den Deutschen bei der Schulter und zog ihn hoch.
»Weshalb seid ihr mit dem Panzerwagen über die Grenze gekommen?«
»Wir waren auf Patrouille und haben ein paar Kerle gesehen,
die in diese
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