Tallinn-Verschwörung
Meerbusens angezogen, das nicht weit von Schloss Kadriorg entfernt lag, in dem der Beitritt der Türkei zur EU feierlich verkündet werden sollte. Wie schon mehrfach zuvor kam er zu der Überzeugung, dass ein Anschlag ohne ein gleichzeitig stattfindendes Ablenkungsmanöver unmöglich war. Er wollte gerade Ghiodolfio anrufen und nachfragen, wie weit die Vorbereitungen bereits gediehen waren, als das Telefon neben ihm klingelte.
Verärgert über die Störung meldete er sich. »Hoikens!«
Am anderen Ende der Leitung war der General. »Hallo, Herr Hauptmann. Ich habe eine gute Nachricht. Die Spuren des Raketentreffers wurden beseitigt, außerdem konnte die entflohene Frau wieder eingefangen werden. Ach ja, wir haben sogar einen Gefangenen gemacht, einen deutschen Offizier.«
»Einen Gefangenen! Wie ist das möglich? Ich dachte, Ihre Leute hätten den Dingo voll getroffen.« Hoikens fluchte innerlich und sagte sich, dass diese Italiener elende Stümper waren.
Ghiodolfio ließ sich seine Laune nicht verderben. »Der Mann hatte Glück. Anfangs zumindest. Danach hat es ihn aber verlassen, und unsere Leute haben ihn erwischt. Da sein Funkgerät bei dem Raketentreffer zerstört wurde, konnte er seinen Leuten nicht mehr mitteilen, was mit ihm und seinen Kameraden geschehen ist.«
Spar dir deinen theatralischen Auftritt für die Oper, dachte Hoikens, verschluckte den Ausruf aber, bevor er ihm über die Lippen kommen konnte. »Hoffen wir, dass alles gut gegangen ist. Ich kann jetzt keine Störungen gebrauchen. Haben Sie schon das Team für den Täuschungsangriff zusammengestellt? «
»Wollen Sie sich den Mann nicht einmal ansehen, Capitano?
Ihr Freund Feiling ist bei seinem Anblick sichtlich bleich geworden.«
Hoikens spürte die Belustigung des Italieners und fragte sich, was Ghiodolfio im Schilde führte. »Mein lieber General, ich bin gerade dabei, das Unmögliche möglich zu machen, so wie ich es Ihnen zugesagt habe. Aber wenn Sie Wert darauf legen, werde ich mir den Kerl ansehen. Viel Zeit habe ich allerdings nicht. Sie sollten sich ebenfalls beeilen. Sonst ist die Konferenz in Tallinn vorbei, und wir basteln immer noch an unseren Plänen.«
Der General schluckte die Zurechtweisung. »Kommen Sie! Sie werden es nicht bereuen.« Dann legte er auf.
Hoikens starrte den Hörer an und knallte ihn auf das Telefon. An dem ganzen Theater ist Feiling schuld!, fuhr es ihm durch den Kopf. Ghiodolfio misst alle Deutschen an dessen Verhalten. Der selbsternannte Führer aber war kein Militär, sondern ein Phrasendrescher, der im Grunde nichts erreicht hatte. Er brauchte ja nur den Organisationsstand der Italiener mit dem der Feiling-Kameradschaft vergleichen. Die zersplitterten deutschen Gruppen waren nicht mehr als ein Sauhaufen, und trotzdem spielte Feiling sich auf, als habe er schon die Macht ergriffen.
Hoikens spie aus und fuhr dann mit der Stiefelsohle über die Stelle, um den Boden zu säubern. Obwohl er Ghiodolfio nicht warten lassen wollte, nahm er sich die Zeit, die Karte von Tallinn fein säuberlich zusammenzulegen, damit jemand, der in seine Kammer kam, nicht sah, mit was er sich gerade beschäftigte. Bei einer so wichtigen Aktion war es notwendig, dass so wenige Menschen wie möglich Bescheid wussten. Selbst unter Ghiodolfios handverlesenen Leuten konnte es Spione geben. Außerdem waren ihm Don Pietro und der Archivar Lodovico viel zu neugierig, und die Pfaffen waren die Letzten, denen er Einblick in seine Überlegungen geben wollte.
ACHT
G hiodolfio saß hinter seinem Schreibtisch im Sessel, den Kommandostab in der Hand, und musterte seine beiden Gefangenen mit zynischer Zufriedenheit. Ihm war bewusst, dass der zweite Abschuss eines deutschen Fahrzeugs in kurzer Folge Aufsehen erregen musste, war sich aber sicher, dass seine Freunde in der albanischen Regierung Nachforschungen der Kosovotruppen auf dieser Seite der Grenze verhindern würden. Er verstand allerdings auch, dass der deutsche Sprengstoffexperte bei seinen Vorbereitungen keine Störung vertragen konnte. Doch zur Not konnte die Aktion auch jenseits der Adria in Italien organisiert werden.
Als Hoikens eintrat, begrüßte er ihn lächelnd und wies dann auf Feiling, der mit versteinertem Gesicht in der Ecke stand. »Ihr Freund wird Ihnen sicher sagen können, weshalb ihn unser Gefangener so erschreckt hat!«
Hoikens brauchte Feiling nicht, um Torsten Renk zu erkennen. Im ersten Augenblick glaubte er an eine Fata Morgana, dann aber ballte er die Fäuste.
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