Tallinn-Verschwörung
sondern aus der Feder eines Schauspielers, den niemand in Italien für einen Anhänger der Neofaschisten gehalten hätte. Der Mann war jedoch tiefgläubig und bereits Don Batistas Beichtkind gewesen, als dieser noch als Hilfspfarrer in Rom gewirkt hatte. Jetzt zählte der Mime wie so viele andere zu den Helfern der Söhne des Hammers.
Während Fiumettis Stimme anschwoll und er sich in seinen Tiraden erging, dachte Don Batista daran, dass der Neofaschist
früher Benito Mussolini nachgeahmt und dabei hölzern und manchmal sogar lächerlich gewirkt hatte. Jetzt fiel seine Gestik knapper aus, und sein Gesicht wirkte nicht mehr wie eine festgefrorene Maske. Auch das war ein Verdienst des Schauspielers. Unter seiner Leitung war es Fiumetti leichtgefallen, die anderen Leitfiguren seiner Bewegung zu überflügeln und zu einem Machtfaktor der italienischen Politik zu werden, über den auch die Regierungsparteien nicht mehr hinweggehen konnten.
»Es geht um Italien!«, rief Fiumetti mit weit tragender Stimme. »Um dreitausend Jahre unserer Kultur und um unseren Glauben. Die Terroristen der Al Kaida wollen uns in die Knie zwingen, uns unterwerfen und die Scharia in unserem Land einführen. Ihr Terror kann jeden von uns treffen, im Bus, im Zug, im Flugzeug, ja sogar im eigenen Heim. Doch wir werden nicht zulassen, dass unsere Heimat untergeht. Wir werden weder Drohungen noch der Gewalt weichen, sondern standhaft bleiben und jene zerstören, die sich gegen uns stellen!«
Da eine Gruppe Reporter vorbeikam, trat Don Batista zurück, um nicht gesehen zu werden. Noch durfte niemand wissen, dass zwischen ihm und dem Neofaschistenführer eine Verbindung bestand. Tino schloss auch sofort die Tür. Der Mann war besser als Gianni, fuhr es dem Priester durch den Kopf. Jener war im Grunde nur ein kleiner Krimineller, dessen er sich nach der Machtergreifung rasch würde entledigen müssen. Er war verärgert, weil er seit Tagen nichts aus Albanien gehört hatte. Gianni oder Lodovico hätten sich längst melden müssen. Auch Don Pietros Geheimberichte über die verborgene Armee, die an der Grenze zum Kosovo ausgebildet wurde, waren bereits seit einigen Tagen ausgeblieben.
»Es darf nichts aus dem Ruder laufen!« Don Batista ballte die Faust und dachte nach. Der geplante Umsturz musste in
mehreren europäischen Ländern zugleich erfolgen, um von Erfolg gekrönt zu sein. Seine Leute bildeten bereits die Kader für die neuen Regierungen aus, die auf das hören würden, was aus dem Vatikan verlautete. Allerdings würde es leichter sein, die meisten Staaten Europas unter Kontrolle zu bringen, als jenen halben Quadratkilometer in Rom, der das Zentrum der katholischen Christenheit darstellte. Mit einer ärgerlichen Handbewegung schob er diesen Gedanken beiseite. Es waren schon zwei Kardinäle eines unerwarteten Todes gestorben, da kam es auf ein paar mehr nicht an, vor allem dann nicht, wenn man die Tat muslimischen Fanatikern in die Schuhe schieben konnte.
»Na, wie war ich?« Fiumettis Frage schreckte Don Batista aus seinem Grübeln auf, und er begriff, dass er das Ende der Rede nicht mehr mitbekommen hatte.
Der Priester zwang sich zu einem Lächeln und trat auf den Faschistenführer zu. »Ausgezeichnet! Die Leute toben vor Begeisterung. Wenn morgen Wahlen wären, würde Ihre Partei siegen, mein Sohn.«
Fiumettis Augen leuchteten auf. »Es werden bald Wahlen sein, hochwürdiger Vater. Ich habe bereits die entsprechenden Gespräche geführt.«
»Sehr gut!« Dabei fluchte Don Batista innerlich. Fiumetti berauschte sich in letzter Zeit zu sehr an seinen geliehenen Erfolgen und ging seiner eigenen Wege, ohne ihn oder Kardinal Winter zu informieren oder gar zu fragen. Auch das war ein Faktor, der den großen Plan gefährden konnte. Doch so bedauerlich es war – derzeit konnten sie nicht auf den Mann verzichten.
»Haben Sie meine Leibgarde gesehen, Hochwürden? Es sind Colonello Renzos Jungs, jeder eine Zierde der Bewegung. Ich werde sie bald nach Albanien schicken, damit sie dort den letzten Schliff bekommen.«
Don Batista nickte geistesabwesend, hob dann aber abwehrend die Hand. »Vorsicht, mein Sohn! Das sollten wir uns gut überlegen. General Ghiodolfio ist ein guter Soldat und verfügt nach wie vor über ausgezeichnete Kontakte zur Armee. Nur traue ich ihm nicht so ganz. Man hört seltsame Gerüchte aus Albanien. Nicht, dass der General sich für einen zweiten Caesar oder Octavian hält und das Land mit Hilfe der Armee selbst regieren
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