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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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denn er hatte während seiner Jahre bei der Bundeswehr eine ungewöhnlich hohe Zahl an Kursen, Schulungen und Informationsveranstaltungen besucht. Er war ein ausgebildeter Einzelkämpfer, wusste über alle Waffenarten Bescheid und hatte, wie Torsten mit einem Nicken registrierte, eine spezielle Ausbildung für militärische Sprengungen absolviert.
    Der Anschlag auf die Sendlinger Moschee kam ihm in den Sinn. Wer auch immer ihn ausgeführt hatte, war ein Fachmann auf diesem Gebiet. Ein gewöhnlicher Terrorist war dazu nicht fähig, mochte er ein Neonazi sein oder zur PKK gehören.
    Das war das zweite Puzzlestück, das Torsten nun in Händen hielt. Das dritte mochten die Sicherheitsschlüssel der anderen vier Wohnungen auf diesem Stockwerk sein.

EINUNDZWANZIG
    I n Rom hatte Graziella bei ihren Nachforschungen in den offiziellen Dateien des Vatikans etliches über den Lebensweg des Weihbischofs Winter erfahren, aber die Aufzeichnungen erschienen ihr lückenhaft. Da war viel von seiner Kindheit als armer Bergbauernbub in Österreich die Rede, und seine Jahre im theologischen Seminar von St. Pölten waren sehr genau festgehalten worden. Dort hatte Bischof Krenn Winter zum Priester geweiht. Sein weiterer Lebensweg hatte ihn nach Deutschland geführt, und dieser Abschnitt war ebenfalls noch gut dokumentiert. Danach aber hieß es nur noch lapidar, er sei nach Rom berufen worden, um in der Verwaltung des Vatikans zu wirken.
    Aus Gesprächen mit ihrem Großonkel und vielen seiner scheinbar nebensächlichen Bemerkungen hatte Graziella manches über die feinen Verflechtungen der Macht im Kirchenstaat gelernt. Daher wusste sie, dass ein Priester aus Deutschland nur mit Protektion von hoher Stelle einen solchen Posten bekommen konnte. Aus den Unterlagen ging jedoch nicht hervor, wer Winters Förderer gewesen sein könnte. Auch sein Aufstieg zum Weihbischof war nur knapp angerissen, und es fehlte jeder Hinweis auf die Aufgabe, die er im Vatikan zu erfüllen hatte.
    Die Rätsel, die dieser Lebenslauf aufgab, nährten Graziellas Neugier. Auf offiziellem Weg würde sie nichts weiter erfahren, das war ihr so klar wie das Aqua Minerale in ihrem Glas, von dem sie jetzt einen Schluck trank. Erneut nahm sie sich vor, mit ihrem Großonkel über diesen Mann zu reden und den alten Herrn zu warnen. Ihrem Gefühl nach war Winter so gefährlich wie eine lauernde Würgeschlange, und seine Ansichten waren eine Schande für die katholische
Kirche. Aber sie wusste nicht, wie sie das ihrem Großonkel beibringen sollte, ohne zu verraten, dass sie gelauscht hatte. Unruhig trommelte sie mit den Fingern auf ihre Schreibtischplatte. Dabei fiel ihr Blick auf den Il Messaggero , den sie auf der freien Fläche ihres Schreibtischs ausgelegt hatte, und blieb an einer Schlagzeile haften:
    »Ministerpräsident Ecconi hält die Bedingungen für einen EU-Beitritt der Türkei für erfüllt!«
    Diese Äußerung musste ein Mann wie Winter als Kampfansage auffassen. Graziella schluckte, denn sie erinnerte sich daran, dass der Weihbischof den rechtsradikalen Politiker Fiumetti hatte treffen wollen, und das war wohl derjenige, der sich am vehementesten gegen die Aufnahme der Türken aussprach. Es gab Gerüchte, Fiumetti ließe in den Marken und in der Basilikata eine Parteimiliz aufstellen, um Druck auf politische Gegner ausüben zu können. Was war, wenn Fiumetti zu der Überzeugung kam, der Vatikan stünde auf seiner Seite? Würde er daraufhin seine Gefolgsleute zu Anschlägen auf Türken anstiften?
    »Winter muss aufgehalten werden, doch dafür brauche ich handfeste Beweise!«
    Der Klang ihrer eigenen Stimme ließ Graziella zusammenzucken. Ihr war bewusst, dass diese Sache viel zu groß für sie war. Aber sie musste etwas unternehmen, um zu verhindern, dass ihr Großonkel, den sie trotz seiner Macken gern hatte, in diesen Sumpf hineingezogen wurde.
    Wenn sie etwas erreichen wollte, musste sie jedoch den legalen Weg verlassen und zumindest ein wenig schwindeln. Die Geheimarchive des Vatikans mochten vor der neugierigen Öffentlichkeit verschlossen sein. Ein hochrangiger Kardinal wie ihr Großonkel jedoch hatte jederzeit Zutritt. Für
sie galt das zwar nicht, doch sie hatte in den letzten Jahren schon mehrmals im Auftrag des Kardinals das Archiv aufgesucht und Daten für ihn recherchiert. Also würde sich niemand etwas dabei denken, wenn sie wieder einmal um Einsicht in geheime Akten bat.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte Graziella, dass sie noch genug Zeit hatte, das

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